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Bang Qiu beim Bambusfrühstück


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In einem Park vor den Toren der südwestchinesischen Megacity Chengdu lassen sich Pandas bei ihren Lieblingsbeschäftigungen beobachten: Futtern und Faulenzen. Ein Besuch bei den Großbären, die hier als Superstars ein luxuriöses Gefangenenleben führen.

Bang Qiu hat es sich auf seinem pelzigen Hintern bequem gemacht. Routiniert schält er mit seinen sechsfingrigen Tatzen einen Bambusstängel nach dem anderen und knuspert sie weg wie Salzstangen. Der Großbär steht voll im Saft, auf dem Höhepunkt seiner Manneskraft, in der Blüte seines 20 bis 30 Jahre währenden Pandalebens und benötigt, um seinen Nahrungsbedarf zu decken, mindestens 20 Kilo Bambus täglich. In seinem Revier in der Forschungsstation bei Chengdu wird Bang Qiu das Grünzeug schon schnauzengerecht zugeschnitten serviert – allerdings um den Preis, dass ihm bei seiner Zellulosevöllerei viele Menschen zuschauen können, sämtliche seiner Aktivitäten und am liebsten seine Tollpatschigkeiten mit Klickapparaten dokumentieren und ungefragt im Internet verbreiten.

China Panda-Frühstück
Bang Qiu beim Bambusfuttern

An Ferientagen strömen bis zu 20.000 Besucher in den 100 Hektar großen Pandapark vor den Toren der südwestchinesischen Mega-City Chengdu, der selbst ernannten Pandahauptstadt der Welt. Hunderte von Baumarten wie Ginkgos, Magnolien und Weiden übertunneln die Spazierwege mit grünen Dächern und sorgen für viel Schatten in den Gehegen, damit die Tiere in ihrem dicken Pelz nicht ins Schwitzen geraten. An heißen Tagen, die in der Gegend nicht selten sind, reicht das aber nicht aus, weswegen die Pandas auch in klimatisierten Höhlen ein Nickerchen halten können. Neben Bambusfuttern gehört Nichtstun nämlich zu ihren Lieblingsbeschäftigungen.

China Panda-Park
Eingang zum Pandapark bei Chengdu

Bang Qiu hat der gaffenden Zweibeinerhorde inzwischen seinen schmuddelig weißen Allerwertesten zugedreht und konzentriert sich voll und ganz auf die Reduktion seines Bambusberges. Wenngleich die Pflanzenfasern kalorienarm sind, müssen die Bären ein wenig Sport treiben, um nicht außer Form zu geraten. Und weil die Faulpelze das in ihrem Luxus-Resort nicht aus freien Stücken tun, müssen sie bisweilen mit Leckerbissen zu Leibesübungen animiert werden. „Wir halten zum Beispiel Äpfel an einem Bambusrohr hoch, damit sich die Pandas auf die Hinterbeine stellen“, erklärt unsere Reiseführerin Zuyan Xiao. Diese Übung sei wichtig als Vorbereitung auf den Fortpflanzungsakt, der sich in der Aufzuchtstation schon problematisch genug gestalte, weil das Leben in Gefangenschaft den Pandas auf die Sexlust schlage. Den Weibchen würden deswegen immer mehrere Bewerber zur Auswahl gestellt.

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Preis des Luxuslebens: die Observierung durch Zweibeiner

„Wenn es mit der natürlichen Liebe nicht klappt, wenden wir künstliche Befruchtung an“, sagt Frau Xiao, auf deren Pagenschnitt heute extra für den Pandabesuch ein Hut mit Pandaohren sitzt. China sei sehr stolz auf sein Nationaltier, das nur hier, in den subtropischen Bergwäldern im Südwesten des Landes, in freier Wildbahn lebe. Die Pandas vor dem Aussterben zu bewahren sei eine große Ehre und Verantwortung. Mit den Schutzmaßnahmen wurde allerdings erst in den neunziger Jahren begonnen, als bereits die Hälfte der Habitate durch Rodung zerstört war. Und so ist der Bestand in den Wäldern von Sichuan sowie den angrenzenden Provinzen Gansu und Shaanxi auf 1.600 Exemplare geschrumpft, zuzüglich einiger Hundert Forschungsstations- und Zoopandas in aller Welt.

Bang Qiu lebt mit rund 60 anderen Artgenossen auf dem Gelände bei Chengdu. Neben klimatisierten Räumen, Klettergerüsten und einer Krankenstation zählt hier auch eine Kinderstube mit Ganztagsbetreuung zu den Annehmlichkeiten. Hier werden die Babys aufgezogen, die nach einer unberechenbaren Schwangerschaft von 80 bis 200 Tagen als nacktes und blindes Bündel auf die Welt kommen, nur etwa 200 Gramm schwer sind und vollkommen hilflos gegenüber natürlichen Feinden. Die Überlebenschance der wild geborenen Jungen liege bei 30 Prozent, sagt Frau Xiao. „Außerdem schreien die Kleinen oft so entsetzlich, dass selbst die Mutter wegläuft.“ Und bei Mehrlingsgeburten würde grundsätzlich nur ein Junges akzeptiert. In der Forschungsstation wird der verschmähte Nachwuchs im Brutkasten und mit Flaschennahrung gepäppelt. Erst nach einem Jahr beginnen die Pandakinder mit dem Bambus essen.

China Panda-Baby
Pandajunges beim Turnen in der Kinderstube

Obwohl die schwarzweißen Bären zoologisch zu den Raubtieren zählen, ernähren sie sich fast ausschließlich vegetarisch – und Bambus ist ganz klar ihre Leibspeise. Dabei kommt ihr Verdauungstrakt mit den Pflanzenmassen gar nicht gut zurecht und rebelliert des Öfteren, sogar mit Darmverschluss. Möglicherweise haben die Pandas den Verzicht auf Fleisch beschlossen, um nicht mit Nahrungskonkurrenten in Konflikt zu geraten. Eine andere Theorie besagt, dass ihnen durch eine Genmutation der Geschmack für Fleisch abhanden gekommen ist und sie deswegen zum Vegetarismus konvertiert sind. In der Aufzuchtstation umfasst der Speiseplan außer Bambus auch Äpfel, bekömmliches Pandabrot mit Getreide und Mineralien sowie Wassermelonen zur Erfrischung an heißen Tagen.

In einem Nachbargehege von Bang Qiu hat sich eine Gruppe Pandadamen zum Frühsport aufgerappelt. Eines der Tiere wälzt sich auf dem Boden, ein anderes klettert ein Holzgerüst hinauf, um dann mit pumpendem Pelz über dem Geländer zu hängen. Etwas besser scheint noch die Kondition der Pandajungen zu sein, die einige Meter weiter in einem Kindergarten untergebracht sind und dort an Plastikschaukelpferden und anderen Geräten ihren Spieltrieb ausleben. Als eines der Kleinen die Glasscheibe hochspringt und mit seinen tapsigen Tatzen und der schwarzen Nase ganz dicht an den Nasen der Chinesen ist, juchzt die Menge vor Verzückung. „Panda ist in China auch ein Kosename für kleine Kinder“, erläutert Frau Xiao.

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Morgens haben Pandas …
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… ihre agile Phase.

Manche Besucher sind so vernarrt in die Bären, dass ihnen das Schauen und Fotografieren nicht reicht. Sie buchen dann für viel Geld ein Arrangement mit Pandafütterung, -umarmung und einem Zertifikat, das diese Erlebnisse belegt. Eine weitere Möglichkeit, die Station zu unterstützen, ist der Erwerb von Pandakrawatten, Pandamatroschkas, Pandataschen, Pandaohrsteckern, Pandaschlüsselanhängern und Pandakostümen.

Bang Qiu knuspert weiter stoisch an seinen Stängeln. Um ihr Gewicht von 80 bis 130 Kilo zu halten, sind Pandas bis zu zwölf Stunden täglich mit Bambusfressen beschäftigt. Da bleibt nicht viel Zeit, um sich über die Zukunft der eigenen Spezies zu sorgen, zumal ja irgendwann auch noch gefaulenzt und geschlafen werden muss.

IN DIE HAUPTSTADT DER PANDAS
Informationen zur Pandaforschungsstation gibt es online unter www.panda.org.cn. Air China (www.airchina.de) fliegt neuerdings nonstop von Frankfurt nach Chengdu. Pauschalreisen in die Sichuan-Provinz sind zum Beispiel über Ikarus Tours (www.ikarus.com) buchbar.

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Pandas im Park-Shop
Fotos: pa

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