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Dem Sommer hinterher und dem Frühling entgegen


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Picknick zwischen roten Weinreben im November, Spaziergänge unter rosa blühenden Mandelbäumen im März: Mit ihrem milden Klima, in dem Feigen, Kiwis und massenhaft Esskastanien gedeihen, ist die Südliche Weinstraße ein reizendes Reiseziel, um graue Winter zu verkürzen.

Am Abendhimmel über der Rheinebene leuchten purpurne Schleier und der Mond. Ein endloses Blättermeer aus burgunderrotem, rieslinggelbem und silvanergrünem Weinlaub wellt sich bis zum Horizont. Edelkastanienhaine, Feigenbäume, Zypressen und Fachwerkdörfer perfektionieren das Postkartenpanorama. Ein spätsommerliches Lüftchen streicht über die Rebenreihen, obwohl in diesen Tagen Anfang November nach dem meteorologischen Kalender schon längst Herbst in Deutschland ist.

Eine derart liebreizende Landschaft muss man sich wahrlich nicht schöner trinken, wenngleich man für dieses Vorhaben aus einer Vielfalt feiner Tropfen wählen könnte. Schließlich sind wir in der Pfalz unterwegs, Deutschlands zweitgrößtem Weinanbaugebiet mit 228 Quadratkilometern Rebfläche, mehr als 120 zugelassenen Rebsorten, 3.600 Winzerbetrieben und einer Jahresproduktion von 2,5 Millionen Hektolitern Wein. Im Landkreis Südliche Weinstraße, in dem wir gerade oberhalb von Rhodt unter Rietburg auf einer Picknickbank pausieren, kommen auf jeden Einwohner rund 600 Rebstöcke.

Als mit der Dämmerung die Farben und Formen von Weinbergen und Winzerdörfern verschwimmen, assoziieren wir die Szenerie immer stärker mit einem Toskana-Aquarell. Dass König Ludwig I., der ein Faible für Italien besaß, in eben diesem Teil seines Reiches Mitte des 19. Jahrhunderts sein Sommerschloss Villa Ludwigshöhe errichten ließ, ist deshalb bestens nachzuvollziehen. Weithin sichtbar thront das blassgelbe Palais in der sanfthügeligen Südpfalz, die zu Ludwig I. Zeiten zu Bayern gehörte. An der Schauseite imponiert das klassizistische Bauwerk, das der Regent als „Villa italienischer Art“ in Auftrag gab, mit einer säulengeschmückten Loggia. Auf eine Lustwandelparkanlage um seine 62 Gemächer und Gesellschaftsräume zählende Ferienoase verzichtete Ludwig I., da er der Ansicht war: „Ein besonderer Garten ist überflüssig, alles Land ringsumher ist, so weit das Auge reicht, ein großer Garten.“

Inmitten von diesem Landschaftsgarten sitzen wir auf der Picknickbank und fühlen uns wie König und Königin im Wirklichkeit gewordenen Schlaraffenland. Vor uns steht ein Freiluftbankett mit Baguette, Camembert und Crémant aus Wissembourg im Elsass, wo wir den Vormittag verbracht haben, nebst Kastanienleberkäse, Kastanienhonig, Dornfelder Weingelee und Rotwein aus der Südpfalz, in der wir am Nachmittag durch Fachwerkgassen, Feinkostläden, Vinotheken und Weinberge gestreift sind.

An der Südlichen Weinstraße lässt sich ein Schmaus mit solcherlei Spezialitäten aus zwei Ländern problemlos an einem Tag arrangieren. Der südliche Abschnitt von Deutschlands ältester Weintouristikroute, der 1935 gegründeten Deutschen Weinstraße, beginnt am Deutschen Weintor bei Schweigen-Rechtenbach an der französischen Grenze und endet in Maikammer in Rheinland-Pfalz. Gerade einmal 38 Kilometer liegen zwischen Frankreich und unserem Premiumpicknickplatz mit Blick ins herbstlich kolorierte Rheintal. Über die L508 dauert die Fahrt nur eine Dreiviertelstunde, sofern man sich nicht zu Zwischenstopps hinreißen lässt, was allerdings unbedingt zu empfehlen ist. Denn wie für touristische Themenrouten generell gilt für die Südliche Weinstraße die Formel, dass Weg und Ziel identisch sind. Eine Plakette mit schwarzer Weintraube auf gelbem Grund markiert die Strecke durch den „Garten Eden“, als welchen die pfälzischen Tourismuswerber ihre Region auch vermarkten.

Tatsächlich bedeutet der Vergleich mit der mythischen Wohlfühloase keine wilde Übertreibung. Mit jährlich mehr als 1.800 Sonnenstunden und einer Durchschnittstemperatur um die zehn Grad besitzt die Südpfalz ein Klima, in dem auch Pflanzen gedeihen, die man eher in mediterranen Gefilden oder noch südlicher verorten würde: Bananen, Esskastanien, Feigen, Kiwis, Mandeln, Palmen, Rosen, Trauben und Zitronen. Die paradiesischen Verhältnisse sind maßgeblich dem Pfälzerwald zu verdanken, der im Westen einen gewaltigen Schutzwall gegen Tiefdruckgebiete vom Atlantik bildet. In Kombination mit einer Bodenvielfalt aus Buntsandstein, Kalkstein, Löss, Mergel, Schiefer und Ton ergeben sich Spitzenbedingungen für eine variantenreiche Weinkultur.

Bringt man nur rudimentäre önologische Kenntnisse mit, lässt sich das Weinsortiment der Pfalz schwer überblicken – selbst dann, wenn man noch keinen Tropfen genossen hat und vollkommen klar im Kopf ist. In den 25 Großlagen und 323 Einzellagen der Gegend werden etwa 45 verschiedene Weißwein- und 22 Rotweintrauben angebaut. Das Spektrum der Rebsorten reicht von regionalen (Bacchus, Gewürztraminer, Morio-Muskat) bis zu internationalen (Chardonnay, Merlot, Sauvignon Blanc), von klassischen (Grauburgunder, Portugieser, Riesling) über wiederentdeckte (Saint Laurent) bis zu neu gezüchteten (Kerner, Regent), von edlen (Spätburgunder) bis zu schlichteren (Müller-Thurgau), von robusten (Dornfelder) bis zu sensiblen (Huxelrebe), von früh reifenden (Ortega, Siegerrebe), die im Herbst auch zu Federweißer verarbeitet werden, bis zu spät reifenden (Silvaner).

Dass es jedoch nicht ratsam wäre, sich kreuz und quer durch das Riesenrepertoire an Rebensäften zu kosten, wird den Besuchern der Südlichen Weinstraße ziemlich am Anfang der Strecke in Bad Bergzabern vor Augen geführt. In dem Kurort kann man nicht nur ein Schloss der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken, mittelalterliche Wehrtürme und Renaissancebauten bewundern, sondern wenige Meter von der Marktkirche entfernt auch einen Brunnen mit vier Tieren, die jene Metamorphose symbolisieren, wenn Menschen übermäßig Wein konsumieren: Lamm, Affe, Löwe und Schwein. Die Legende zu dem Kunstwerk des Bildhauers Gernot Rumpf lässt sich auf zwei Bronzetafeln nachlesen: „Als Noah, der Urahn aller Winzer, mit seiner Arche gestrandet war, schenkte ihm der Engel des Herrn eine Weinrebe. Damit die junge Rebe gut gedeihe, sollte er sie mit dem Blut eines Lammes und eines Affen begießen. Der Teufel, der diese Szene verfolgt hatte, fügte weiteres hinzu: Blut vom Löwen u. vom Schwein. Seit dieser Zeit gilt vom Wein: Wer einen Krug trinkt, wird fromm und zahm wie ein Lamm, wer zwei trinkt, gelehrig und lustig wie ein Affe, wer drei trinkt, stark und brüllend wie ein Löwe, wer aber vier trinkt, der grunzt und wälzt sich wie ein Schwein.“

Zumindest das Endstadium dieser alkoholinduzierten Regression in animalische Verhaltensmuster erscheint nicht nur alles andere als erstrebenswert. Es wäre der Südpfalz auch nicht angemessen, würde man sich hauptsächlich ihren Weinen widmen. Denn die Region bietet noch vieles andere im Überfluss: mit dem Pfälzerwald, einem der größten Waldgebiete Deutschlands, insbesondere Naturgenuss, wobei dieser keineswegs mit dem Verzicht auf Wein oder andere pfälzische Gaumenfreuden einhergehen muss. Nirgendwo sonst in einem deutschen Mittelgebirge gibt es ein dichteres Netz an Wanderhütten, Waldgaststätten und Naturfreundehäusern, in denen sich Hunger und Durst stillen lassen. Speisekartenstandard der idyllisch gelegenen Stärkungsstationen sind Saumagen, Leberknödel und Bratwurst zu Sauerkraut und Brot, Weißer Käse (Kräuterquark) mit Gequellde (Pellkartoffeln), Kuchen und natürlich Pfälzer Schoppen.

Für die Steigerung des Appetits hält die Südliche Weinstraße etliche Möglichkeiten bereit. Mehrere hundert Kilometer ausgeschilderte Wege zum Wandern, Radeln und Mountainbiken führen entlang oder durch die Umgebung der Touristikroute – teils durch Wälder, teils durch Weingärten, teils durch Weinorte, teils durch alle diese pfälzischen Bilderbuchkomponenten wie der rund 100 Kilometer lange Wanderweg „Deutsche Weinstraße“.

Jetzt, zur Herbstzeit, lädt mit dem Pälzer Keschdeweg“ eine weitere Themenroute dazu ein, sich an der Fülle der nahezu südländischen Flora zu erfreuen. An der 60 Kilometer langen Strecke purzeln die stacheligen Früchte der Esskastanien dann massenweise zu Boden. Ein Spaziergang auf dem Keschdeweg lohnt sich aber auch im Frühsommer, wenn die Kastanienbäume weißgelbe Blütenbänder um die Waldränder winden. Besonders viele Haine sind in der Nähe unseres Picknickplatzes um die Villa Ludwigshöhe zu finden, wo der italophile Bayernkönig Ludwig I. die Edelkastanie als „des südlichen Klimas bester Zeuge“ anpflanzen ließ. Der Import des Buchengewächses in die Pfalz geht allerdings auf die Römer zurück, die ihre Truppen mit der nahrhaften Nussfrucht anstelle von Brot versorgten.

Noch lange Zeit nach den Römern musste sich die Kastanie mit der Rolle begnügen, ein Armeleuteessen zu sein. Heute darf sie ihr ganzes Talent ausspielen. In der pfälzischen Küche wird die Baumfrucht in der kompletten Bandbreite von Hausmannskost bis Haute Cuisine und von Vor- bis zu Nachspeisen kulinarisch durchdekliniert. Mariniert, püriert, pulverisiert, glasiert oder karamellisiert mischt sie als Zutat in Brot, Salaten und Suppen mit, in Fleischkäse, Leberknödeln und Saumagen, in Crèmes, Mousses und Parfaits, in Crumbles, Torten und Pralinen. Zum Jahresende hat die Esskastanie in der Pfälzer Gastronomie ihren Großauftritt. Auf den Speisekarten der Restaurants und Cafés stehen vielerlei „Keschdlichkeiten“, um ein Mundartwortspiel der Tourismuswerbung zu zitieren: Klassiker wie Kastaniensuppe, Kastaniensaumagen und Kastaniensandkuchen, aber auch komplexe Kreationen wie Wildhasenrücken im Nussmantel mit Waldpilzen und Kastaniensoufflé oder Barbarie-Entenbrust an Portwein-Jus mit Kastanienragout, die sich mit Desserts wie Kastanien-Crème-brûlée mit Dornfeldersorbet oder Keschderahmeis mit marinierten Feigen krönen lassen.

Wer Verlangen nach geistiger Nahrung hat, kann entlang der Südlichen Weinstraße ebenfalls Sättigung erfahren. Die Touristikroute serviert jenen Gästen aus den Sparten Architektur, Kultur und Geschichte alles von Häppchen bis zu Hauptspeisen. Zu den größeren Mahlzeiten gehören die Reichsburg Trifels, die Burgruine Madenburg und die einstige Festungsstadt Landau, zu den Zwischenmahlzeiten die vielen Dörfer und Dörfchen, die manchmal aus nicht viel mehr als einer Hauptstraße mit Winzerhöfen und Wohnhäusern bestehen, jedoch mit ihrer Bandbreite an Bausubstanz von Gotik über Renaissance und Barock bis Klassizismus immer wieder zu einem Halt animieren. Im Herbst überspannen Weinlaubgirlanden die Gassen, weben sich Weinlaubteppiche über Fassaden und hängen Weinlaubvorhänge von Torbögen, die oftmals den Eingang zu Höfen oder Gewölben von Straußwirtschaften bilden, in denen Pfälzer und Touristen an langen Tischen bei Speis und Trank beisammensitzen. Mit den Einheimischen dort oder anderswo ins Gespräch zu kommen, ist kein Problem. Sie zu verstehen, schon eher. Der Pfälzer Dialekt besteht aus vernuschelten Wortanfängen und andeutungsweise ausgesprochenen oder ganz eingesparten Wortenden, woraus sich ein amorph klingendes Kauderwelsch ergibt.

Welches Dorf das schönste im Pfälzer Weinland ist, darüber lässt sich streiten. Wir schwanken hinsichtlich dieser Titelvergabe zwischen St. Martin und Rhodt unter Rietburg am oberen Ende der Südlichen Weinstraße. Beide Orte stehen größtenteils unter Denkmalschutz und eignen sich vortrefflich dafür, die Bauepochen der Jahrhunderte zu studieren: Fachwerkpartien, skulptierte Renaissancebögen, barocke Reliefsteine, spätbarocke Walmdächer, klassizistische Hofanlagen. Schon deswegen sollte man den Schlendergang einlegen. Mitunter geht es aufgrund des Besucheraufkommens auch nicht anders. Längst verführen in den Gassen nicht mehr nur schummrige Weinstuben zu Degustationen, sondern auch Weingalerien, die ihre Tropfen in illuminierten Regalen und Vitrinen wie Kunstwerke präsentieren. Und längst wird neben Gekeltertem auch alles andere feilgeboten, was Touristen lieben: Getöpfertes, Geschmiedetes, Geschneidertes und Geschreinertes. Jedoch verbiegen sich die Gemeinden für ihre Gäste nicht wie anderswo. Die Öffnungszeiten der Läden und Lokale gestalten sich teilweise eigensinnig und kostenlose Parkplätze sind erst am Ackerrand zu finden.

St. Martin mag den harmonischer geformten Ortskern, die interessantere Kirche und den berühmten Schutzpatron haben, Rhodt unter Rietburg kann dafür mit der Theresienstraße trumpfen. Gänzlich überdimensioniert für den 2.000-Einwohner-Ort zieht sich die von Winzerhäusern, Cafés, Antiquitätenläden, Delikatessengeschäften und Kastanienbäumen gesäumte Straße, die ihren Namen von Ludwig I. Gemahlin Therese hat, über 800 Meter sanft ansteigend in Richtung Ludwigshöhe und der Burgruine Rietburg. Am östlichen Dorfrand gegenüber der Gebietswinzer-Genossenschaft Rietburg kann man überdies die Keimzelle der regionalen Weinkultur besuchen. Dort wird der „Rhodter Rosengarten“ gehegt, dessen Traminerrebstöcke angeblich schon bis zu vier Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Je nach Quelle wird der Wingert als der älteste noch Ertrag bringende Weinberg der Pfalz oder sogar der Welt bezeichnet.

Die Reise zum Ursprung der Deutschen Weinstraße führt dagegen ganz in den Süden zum Deutschen Weintor in Schweigen-Rechtenbach. Bei der Eröffnung der Route, die von den Nationalsozialisten erfunden wurde, um Touristen in die Pfalz zu locken und den Umsatz der Winzer anzukurbeln, überspannte ein hölzernes Provisorium die Straße. Seit Oktober 1936 steht an dessen Stelle ein klotziges Monument im neoklassizistischen Stil. Von dem 20 Meter hohen Bauwerk blickt ein riesiger Reichsadler nach Frankreich herüber. Das Hakenkreuz in seinen Fängen wurde nach der NS-Zeit herausgeschlagen. Durch die Torlichtung neben dem entschärften Relief zieht sich eine Galerie, von der man auf die Bergkette des Wasgaus und über die Rheinebene bis zum Schwarzwald blicken kann.

Heute verbindet ein Touristenzug die Südpfalz mit dem Elsass. Das weiße „Grenzlandbähnchen“ zirkuliert zwischen dem Weintor und Wissembourg. Ob mit diesem Fortbewegungsmittel oder auf eigene Faust – die Zeit für einen Abstecher nach Wissembourg sollte man sich in jedem Fall nehmen. In dem Städtchen am Fuße der Vogesen schmeicheln blumengeschmückte Brücken, Plätze und Fachwerkhäuser dem Auge, Gewürzstände und Seifenläden der Nase und die Erzeugnisse von Chocolaterien, Fromagerien, Patisserien und Sektkellereien dem Gaumen. Obwohl Wissembourg in den deutsch-französischen Kriegen hin- und hergezerrt wurde, ist der historische Kern weitgehend erhalten geblieben: der unvollendete Kreuzgang des im 7. Jahrhundert gegründeten Benediktinerklosters zum Beispiel, die romanisch begonnene und gotisch vollendete Abteikirche St. Pierre-et-Paul, das Maison du Sel aus dem 15. Jahrhundert, das erst als Spital, dann als Schlachthaus und später als Salzlager diente, und das Mitte des 18. Jahrhunderts aus rotem Vogesensandstein erbaute Rathaus mit seinen barocken und klassizistischen Formen.

Als wären das nicht schon hinreichend Anreize für eine Reise, locken in der Südpfalz auch noch ungezählte Veranstaltungen. Kaum ein Wochenende vergeht, an dem sich nicht irgendeine Festivität um irgendeine Spezialität der Region dreht. Schon im März beginnt mit dem Mandelblütenfest in Gimmeldingen der Reigen der Weinfeste – und er endet erst im November, wenn St. Martin in dem gleichnamigen Weindorf beim Martinus-Weinfest seinen Mantel teilt. Dazwischen reihen sich unter anderem ein: die Mandelwochen, die Rosenwochen, Kastanienblütenfeste, Gastronomiewettbewerbe, Kastanienmärkte und die Wildwochen. Für Glanz bei all der Schlemmerei sorgen die Krönungen und Auftritte diverser Spezialitätenrepräsentantinnen: der Keschdeprinzessin, der Mandelblütenkönigin plus Mandelblütenprinzessin und der Weinkönigin mit einer Entourage aus gleich drei Weinprinzessinnen.

Ludwig I. hingegen war, als er mit seiner Gemahlin Therese im Juli 1852 aus München erstmals zu seinem neuen Sommersitz Schloss Villa Ludwigshöhe in die Südpfalz angereist kam, gar kein König mehr. Durch seinen politischen Zickzackkurs zwischen liberal und reaktionär zuzüglich amouröser Abenteuer mit Schauspielerinnen, Sängerinnen und Tänzerinnen hatte er es sich irgendwann endgültig mit seinen Untertanen verscherzt und den Thron für seinen Sohn Maximilian II. geräumt. Dass es sich der Ex-Monarch dennoch nicht nehmen ließ, bis zu seinem Tode 1868 regelmäßig in der royalen Residenz am Rande des Pfälzerwaldes zu weilen, kann man nur allzu gut verstehen: wegen der mit Edelholzparkett, Marmorintarsien und Deckenmalereien nach pompejischem Vorbild ausgeschmückten Palastsäle, mehr aber noch wegen des königlichen Ausblicks von dort in die Rheinebene.

Mitte März rasten wir erneut auf der Picknickbank unterhalb der Villa Ludwigshöhe. Diesmal besteht unser Freiluftfestmahl aus Mandelkirschkuchen, Schokoladenmandeln, Mandelbrot und Mandelsalami von pfälzischen Konditoreien, Bäckereien und Metzgereien, die mit ihren Leckereien die vielen Mandelblüten-Events an der Südlichen Weinstraße begleiten. Eine milde Brise streicht über die Hügel. Die Sonne zwinkert zwischen Wolkenschleiern. Statt bunter Rebenreihen sind es nun Mandelbäume mit weißen und babyrosa Blütenkleidern, die unser Herz betören. Manchmal schon Ende Februar ziehen sich die frühen Frühlingsboten wie Alleen aus Zuckerwattebäuschen durch Wiesen, Weinberge und Winzerdörfer. Je nach Wind- und Wetterlage vergehen allerdings nur wenige Tage, bis der Blütentraum verpufft.

SPEZIALITÄTEN UND FESTIVITÄEN AN DER SÜDLICHEN WEINSTRASSE
Allgemeine Auskünfte zur Region sind bei der Tourismusorganisation Südliche Weinstrasse e. V. erhältlich.
Wein: Termine von Weinfesten, Weinmessen und Weinmärkten bündelt der Weinfestkalender.
Kastanien: Die Internetseite des „Pälzer Keschdewegs“ liefert Wissenswertes rund um die Baumfrucht.
Mandeln: Über Mandel-Events und den Stand der Mandelblüte informiert die Website zur pfälzischen Mandelblüte.
Einkaufsempfehlungen: Hofladen Wolff in Rhodt unter Rietburg (Gelees, Marmeladen, Öle und Liköre), König in Rhodt unter Rietburg und Altdort (Antiquitäten und Möbel nach Maß), Meyer Antiquitäten in St. Martin (Tische und Wohnaccessoires aus recycelten Barriquefässern), Patisserie Daniel Rebert in Wissembourg (Cremeschnitten, Pralinen und Tartelettes) und Sektkellerei Caves de Wissembourg (Weinsekte, aromatisierte Sekte)

4 Comments

  • Graue Winter verkürzen? Ich dachte, wir hätten diesen Klimawandel von der ganzen Ausatmerei? Wo am Schluss auch die Eisbären wegschmilzen. Und die Grünen hüpfen doch schon dagegen, weil es andernfalls voll nazi wäre (Slogan: „Wer nicht hüpft, der will kein Klima“. Oder so ähnlich).

    Habe die Bilder geguckt, da eher optisch orientiert. Hier meine Favoriten:

    1. Die breite Gasse, wegen des roten TR 6 (Dieses britische Fahrzeug, 1968 – 1976) von erhobener Eleganz hatten seinerzeit die Nationalsozialisten eingeführt. Karrosserie von Karmann, disziplinierter als das Vorgängermodell von Michelotti. Es hat eine sehr wohlgeformte Hüfte und spielt souverän mit den Gegensätzen männlicher und weiblicher Formen. Die Elektrik gilt bei Besitzern dieses historischen NS-Sportwagens als nicht so beliebt, wegen des vielen Regens in England).
    2. Das ums Eck gebaute Weserrenaissance-Gebäude. Weil und obwohl es ein wenig süßlich wirkt mit den zweistöckigen Erkern im Winkel an den beiden Fassaden.
    3. Die Maronenpfanne. Da spontane Assoziation zu einer Loriot-Szene mit Evelyn Hamann (Pralinee mit Maronencremefüllung).
    4. Das Flüßlein durchs Dorf (mit dem dicken Kirchturm im Hintergrund).
    5. Das neoklassizistisch anmutende Gebäude am Rande der Rebenfelder. Hat architektonisch eine gewisse Kälte, weshalb es als Drehort zu einem B-Movie-Horrorfilm taugt.
    6. Bei dem spätgotischen Kreuzgang gefällt mir das Deckengebälk.

    Unschön hingegen die neogotische Backsteinkirche. Und das Haus mit den fetten Barocktürmen. Die würde ich wieder wegnehmen. Sonst: Rosa Blüten, das ist so Geschmacksfrage. Und ein Wein lässt sich immer mal durch Nieren und Leber filtern, roten für die Gesellschaft am Weibe und weißen für den gesunden egoistischen Genuss, zum ganz allein in Ruhe selber auftrinken. !Salut!

  • Danke für den Hinweis! Da man sich gern zum Bildzentrum hin konzentriert, übersah ich die Erläuterungen unten.
    Das „Deutsche Weintor“ ist dann tatsächlich ein recht typischer NS-Bau, wo die sich wieder nicht entscheiden konnten, ob sie nun „Heimatstil“ oder Einschüchterungs-Klassizismus bauen wollten. Kommt in Ästhetik und ideologischer Aufladung fast an ein grünes Windrad ran (Die Phallusstangen in der Landschaft, womit man heute die Singvögel mit schreddert, aber im Gegenzug dafür 50 km mit einem sehr leisen Auto fahren darf, Tempo 30).
    Und wenn man an das spätklassizistische Schloss Ludwigs I. „ranzoomt“ oder den gesamten Baukörper von schräg oben betrachtet, wirkt das Ding tatsächlich ein bisschen weniger abweisend. Sagen wir so: immerhin erträglicher als gotisierender Historismus.
    Oben vertat ich mich übrigens. Es heißt natürlich nicht, wer nicht hüpfe, der wolle kein Klima. Sondern: Wer nicht hüpft, dem komme es ja bloß auf nen Haufen Kohle an. – Tja, wem kommt es darauf nicht an!
    Die Bilder – wie immer klasse, da informativ und einfach mit dem richtigen Blick für das Einfangen von Stimmungen. Mir fiel noch ein Reklame-Schild auf, „It’s wine time“, plus Herzlein. Das ist süß, obwohl ich befürchte, dass sich auch für einen US-Touristen oder einen solchen aus UK für wine keineswegs ein Time-Reim ergibt, weder fürs Auge – noch fürs Ohr. Aber so sind diese Leute, die im Eifer des Geschäfts Orange mit Rosa kombinieren.
    Mögen die Reben auch morgen noch Photosynthese betreiben dürfen! So ganz ohne Wein, das wäre definitiv zu viel Savonarola (der Typ mit dem langen Bart aus Afghanistan).

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