Lieblingsunterkünfte, Namibia

Wolwedans, ein Logenplatz im Naturtheater


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Wolwedans in Namibia ist einer dieser Plätze, deren Schönheit so urgewaltig und kompromisslos ist, dass man nicht weiß, ob man schweigen, laut jubeln oder furchtbar rührselig werden soll. Der Wildnis ist das auch ganz egal. Sie führt ihr monumentales Spektakel in Endlosschleife auf.

Als ich auf das Holzdeck hinaustrete, wird mir das Ausmaß der Großartigkeit mit voller Wucht klar. Vor mir entfaltet sich ein Wüstenpanorama wie die Synthese aus Achtziger-Jahre-Poster-Kitsch und Ölgemälden: fein gezeichnete Graslandschaft im Vordergrund, abgesoftete Felsenketten am Horizont, dazwischen das Licht- und Schattenspiel der Abendsonne auf dem kupferroten Sand. 180 Grad Naturleinwand. Kein Mensch nirgendwo. Nicht mal ein Tier.

Die Wolwedans Mountain View Suite ist ein Logenplatz in dem dramatischen Naturschauspiel Namibias. Sie gehört zu einer Kollektion von Lodges und Zelt-Camps mitten im Namib Rand Nature Reserve im Süden des Landes. Schon während des Fluges von Windhuk hatte ich eine Vorstellung davon bekommen, was es bedeutet, in einer der am dünnsten besiedelten Regionen der Welt unterwegs zu sein. Die kleine Cessna schnurrte über grünbraune Hügel, braunrote Felsformationen und rotbeige Wüsten – Einsamkeit, so weit das Fernglas reicht. Namibia ist fast dreimal so groß wie Deutschland, zählt aber nur zwei Millionen Menschen. Das sind 2,6 Einwohner pro Quadratkilometer. Nur die Mongolei ist noch menschenärmer.

Namibia Fly-in
Schon die Anreise ist ein Ereignis: Cessna-Flug nach Wolwedans

Mit einer Fläche von 200.000 Hektar gehört das Namib-Rand-Reservat zu den größten privat geführten Naturschutzgebieten Namibias. Es wurde von einem Windhuker Geschäftsmann namens Albi Brückner erschaffen, der in den achtziger Jahren eine Farm nach der anderen aufkaufte, mehr als 1.600 Kilometer Weidezäune beseitigte, Teerstraßen zu Schotterpisten zurückbaute, heimisches Wild ansiedelte und neue Wasserlöcher ausheben ließ. Das überweidete Land und der Tierbestand erholten sich.

Um das neue Gleichgewicht zu wahren, hat sich Wolwedans strenge Vorschriften verordnet. So wird ein Großteil der Energie mit Sonnenkollektoren gewonnen, die Abwässer fließen in eine Biokläranlage, und es werden so viele lokale Produkte und Materialien wie möglich verwendet. Dem Gedanken des „Black Empowerment“ schließt sich die Kollektion ebenfalls an: Die Mitarbeiter sind vorwiegend Einheimische.

Ein weiteres Wolwedans-Gebot lautet, dass auf 1.000 Hektar Reservatsfläche nicht mehr als ein Gästebett kommen darf. In der Mountain View Suite wird dieser Anspruch auf die Spitze getrieben. Das Chalet steht auf einem 200 Quadratmeter großen Holzdeck, einige Gehminuten vom Hauptgebäude entfernt, und wirkt von Weitem wie ein gestrandetes Öko-Ufo. Krempelt man die Zeltplanen zurück, kann man vom King-Size-Bett mit Moskitonetzbaldachin in die Ebene schauen. Draußen eröffnen ein Daily Bed und Hängematten weitere Chill-Optionen. Wer diese Insel der Ruhe, auf der es weder Steckdosen noch Netzempfang gibt, so gar nicht verlassen will, kann sich in der Suite-eigenen Küche verköstigen und den Drink zum Sonnenuntergang auf den schweren Ledersesseln im Wohnzimmer genießen – Blick ins Wüstenkino inbegriffen.

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Blick von der Mountain View Suite

Doch ich will wissen, wen es sonst noch an dieses entrückendste aller Enden der Welt treibt und treffe beim Abendessen im Haupthaus auf eine Gruppe von Engländern. Sie komplimentiert alle Einzelreisenden ohne Umschweife zu sich an den Tisch: den hünenhaften, waldschratigen Kanadier, der vorher zum Angeln in Angola war, die ältere Dame aus der Schweiz und mich. Liegt es an der Wüstenstille, dass die Engländer besonders laut zu schnattern und zu lachen scheinen?

Am nächsten Morgen holt uns Progress mit dem Jeep ab. Der Naturführer strahlt mit seinen Muskeln und dem lässigen Lachen eine angenehme Portion Sicherheit aus, doch wird er uns vor den Big Five der afrikanischen Tierwelt – Elefanten, Löwen, Nashörner, Büffel und Leoparden – im Namib-Rand-Naturpark gar nicht beschützen müssen. Dafür begegnen wir prachtvoll gemusterten Chamäleons mit Glupschaugen, Springböcken, die wie Flummis durch das gelbe Steppengras titschen, und Oryx-Antilopen, die mit ihren antennenartigen Hörnern so aussehen, als würden sie den Buschfunk abhören. Wir beobachten ein todesmutiges Erdhörnchen, das eine Schlange neckt, sehen eine Käferart, die ihren Flüssigkeitsbedarf deckt, indem sie ihr Hinterteil in den Morgennebel reckt, und besuchen ein Projekt zur Wiederansiedelung von Geparden. Die Tiere leben in einem riesigen Gehege und tragen Halsbänder mit Sendern, damit die Ranger ihr Wohlsein überwachen können.

Namibia Antilopen
Die Big Five treffen wir auf unserer Safari nicht, dafür aber Antilopen …
Namibia Geparden
… und Geparden.

Und dann präsentiert uns Progress das Mysterium der Feenkreise – kahle Stellen im Gras, die aussehen, als würde die Wüste unter einem Ekzem leiden. Progress sagt, dass die Entstehung der Fairy Circles bis heute nicht abschließend geklärt sei, weswegen eine beachtliche Auswahl an Theorien existiere. Sind es Fußstapfen von Urzeitviechern? Ist hier ein Schwarm von Ufos gelandet oder ein Meteoritenhagel eingeschlagen? Haben Termiten den Boden unfruchtbar gemacht oder eine toxische Pflanze? Hat die Vegetationslosigkeit mit Gasentwicklungen im Boden zu tun? Oder sind die Kreise etwa Feentanzplätze?

Namibia Feenkreise
Um die Entstehung der Feenkreise ranken sich viele Theorien.
Fotos: pa

Abends, als sich die Sonne zum Schlafen anschickt und ihre letzten Strahlen wie Kerzenschein über die Weite fluten, weiß ich nicht, ob ich andächtig schweigen oder vor Verzückung jubeln soll. Und ob ich mir vor der Abreise für 500 Namibische Dollar (rund 40 Euro) nicht noch einen Feenkreis zulegen will. Das Geld würde der Namib Rand Conservation Foundation zugute kommen, die sich für Umweltschutz, nachhaltigen Tourismus und Bildung engagiert.

Wolwedans Mountain View Suite: www.wolwedans.com