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Switcherschlürfen im Verandaschatten


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Kreuzfahrtmassentourismus und Strände mit Robinson-Feeling, splashige Wasserparks und verschlafene Dörfer mit Puppenstubenambiente: Die Bahamas vor der Küste Floridas überraschen mit krassen Kontrasten. 

Über dem Wohnviertel bei Nassau liegt die Trägheit eines Sonntagnachmittags. Nur das Surren der Ventilatoren unterbricht die Stille. Wir sitzen im Verandaschatten bei einem „Switcher“ zusammen, dem Bahamas-typischen Erfrischungsgetränk aus Limonensaft, einer gehörigen Portion Zucker und Eiswürfeln bis zum Glasrand. Yvette, die als Direktorin für einen Trinkwasserhersteller in Nassau arbeitet, erzählt von den Müll- und Energieproblemen der Inseln. „Die Regierung redet viel darüber“, sagt sie und kräuselt die Stirn, „aber passiert ist erst wenig.“ Tatsächlich kann ich auf den Dächern ringsum nirgendwo Solaranlagen entdecken, obwohl die Bahamas vor der Küste Floridas sonnenverwöhnt sind.

Dass ich hier auf Yvettes Gartenmöbeln sitze, ist kein Zufall. Ihre Familie beteiligt sich an dem People-to-People-Programm, das es auf den Bahamas schon seit über 30 Jahren gibt. Es wurde dereinst vom Tourismusministerium initiiert, um Einheimische und Touristen für den kulturellen Austausch zusammenzubringen – für einige Stunden oder auch einen ganzen Tag. Geld fließt dabei keines: Weder wird der Gast zur Kasse gebeten noch erhalten die Gastgeber eine Entlohnung.

Yvettes Bruder Raymond Dames verabredet etwa viermal im Jahr ein Blind Date mit Touristen. Am Vormittag hatte er mich direkt am Hotel eingesammelt und mit auf eine Tour über die Hauptinsel New Providence genommen – vorbei an schlichten Siedlungen, protzigen Villen, unzähligen Kirchen und dem Clifton Heritage Park mit Resten eines Sklavendorfes. Auf der Rückbank hatte seine Mutter gesessen und mir immer mal wieder Fragen gestellt. Zum Wetter in Deutschland, zu meinen familiären Verhältnissen, zum deutschen Essen und zu meinem Programm auf den Bahamas.

Bahamas
Raymond Dames auf der Rundfahrt über New Providence

Der Besuch bei den Dames ist meine erste Station auf den Inseln im Atlantik, die mich in den folgenden Tagen mit krassen Kontrasten überraschen werden – mit Massentourismus und einsamen Stränden, mit überfüllten Wasserparks und verschlafenen Orten. Auf der Rückfahrt ins Zentrum von Nassau taucht am Horizont die gigantische, blassbraune Silhouette des Atlantis auf. Das Erlebnishotel gehört zu einem Urlaubsimperium auf der vorgelagerten Insel „Paradise Island“. Neben 3.500 Betten umfasst das Angebot einen Golfplatz, ein Casino, einen Wasserpark und eine künstliche Lagune zum Plantschen mit Delfinen. Schlappe 25.000 US-Dollar kostet die Nacht in der „Bridge Suite“, die sich zwischen den Türmen des Atlantis-Hotels Royal Towers wölbt.

Überhaupt sind die Bahamas kein günstiges Ziel. Fast alle Güter und Nahrungsmittel müssen importiert werden. Als ich mich auf die Suche nach etwas Inseltypischem mache, entdecke ich lediglich den soften und supersaftigen Rumkuchen, Strohhüte und eine Biermarke namens „Kalik“. In den Souvenir-Läden wird das meiste aus Asien eingeflogen: Schneekugeln, T-Shirts, Schmusetiere, Schlüsselanhänger und Kühlschankmagneten. Auch die flamingofarbene Conch-Muschel steht in den Regalen, allerdings ist die Ausfuhr aus Artenschutzgründen verboten. Auf den Tisch kommt die Meeresfrucht jedoch häufig – im Salat, in Suppen oder zu Bällchen frittiert. Ich finde, ihre Konsistenz erinnert an gummiartiges Hähnchenfleisch und ihr Geschmack an nichts.

Als wir den wilden Stilmix in der Lobby des Atlantis-Hotels Royal Towers bestaunen, flutet plötzlich eine Welle von Kreuzfahrttouristen herein, kanalisiert sich in den Gängen des Aquariums, das sich bis zum Wasserpark „Aquaventure“ erstreckt. Im Hafen von Nassau können bis zu sieben Mega-Pötte gleichzeitig festmachen. Aus ihren Bäuchen strömen jedes Jahr mehrere Millionen Besucher, die meisten stammen aus Amerika. Durch eine Shopping-Halle geht es dann ins Zentrum von Nassau, weiter ins Atlantis und wieder zurück.

Bahamas Kreuzfahrt
Shopping-Kanal für Kreuzfahrttouristen

Auch die Flugpassagiere kommen oft nicht über die Hauptinsel New Providence hinaus. Dabei sind die umliegenden „Out Islands“ wie Abaco, Exuma und Harbour Island mit kleinen Fluggesellschaften schnell zu erreichen. Und man wird mit Kontrasten belohnt.

Von den mehr als 700 Inseln der Bahamas sind nur 30 bewohnt. Wir sind auf einer der kleinsten gelandet, Harbour Island. Am Pier werden wir mit einem kleinen Elektroauto abgeholt, einem verbreiteten Fortbewegungsmittel auf dem nur acht Quadratkilometer großen Eiland. Auch vieles andere ist auf Harbour Island kleiner als anderswo. Die Läden haben niedliche Namen wie „Dilly Dally“ und „Pigly Wigly“ und auch ein solches Sortiment.

Bahamas Schild
So niedlich wie die Namen sind auch die Sortimente der Läden.
Bahamas Laden
Typisches Fortbewegungsmittel auf Harbour Island: Elektroautos
Bahamas Pub
Wie in einer Puppenstube: Pink und Hellrosa sind beliebte Farben auf Harbour Island.
Fotos: pa

In der Inselkirche ist eine Frau dabei, Wände und Bänke mit Früchten zu dekorieren. Morgen will die Gemeinde ein Erntedankfest feiern. Die Bahamaer sind fleißige Kirchengänger, das hatte schon Raymond während der Rundfahrt über New Providence klargestellt. Denn die Gotteshäuser würden von den Leuten nicht nur zum Beten genutzt, sondern auch als Präsentierteller. „Hier kann man zeigen, wie groß der Hut ist, den man besitzt“, hatte Raymond erzählt. Deswegen seien die Bahamaer regelrechte „Churchaholics“.

Auf Harbour Island gibt es aber auch nicht viel anderes zu tun, als in die Kirche zu gehen. Wir fühlen uns dann aber doch eher zu den Stränden mit ihrem puderweißen Sand und dem smaragdgrün leuchtenden Meer hingezogen. In der Blue Bar der luxuriösen Bungalow-Anlage Pink Sands treffen wir auf die 32-jährige Kellnerin La Toya. Sie erzählt, dass ihr die Insel zu eng geworden sei. „Auf Harbour Island weiß jeder über jeden Bescheid.“ Sie wolle so bald wie möglich „weg von hier, irgendwohin“. Wir hingegen fühlen uns pudelwohl in dem Chill-Paradies. Aber das liegt wohl daran, dass wir in wenigen Tagen wieder in die andere Welt zurückkehren.

MEET THE „CHURCHAHOLICS“
Informationen zu den Bahamas gibt es auf der Website des Fremdenverkehrsamtes unter www.bahamas.com. Dort kann man sich auch für das People-to-People-Programm anmelden.