Das primäre Thema im Tourismusmarketing von Usbekistan ist die „sagenumwobene Seidenstraße“. Reisen in das zentralasiatische Land knüpfen daran mit Titeln wie „Märchen, Medresen, Majolika“ an. Doch was ist im 21. Jahrhundert an dem 1001-Nacht-Zauber noch dran?
Märchen: Der Märchenfaktor ist innerhalb des Landes stark schwankend. In der Hauptstadt Taschkent haben ein Erdbeben und die Sowjet-Zeit ein weitgehend zauberfreies Stadtbild hinterlassen. Unter den jüngeren Bauwerken gibt es einige Scheußlichkeiten wie das martialische Reiterstandbild des Eroberers Timur Lenk, das auch als Symbol des Identifikationsprozesses und Wertewandels Usbekistans gedeutet wird.
In Samarkand kommt man dem Seidenstraßen-Flair schon ein Stück näher, gleichwohl die Stadt auch viel von einer ganz normalen 350.000-Einwohner-Metropole hat: Verkehrslärm, Gedränge und glanzlose Wohnviertel. Doch in Samarkand befindet sich der Registan, einer der imposantesten Plätze Mittelasiens – mit drei gewaltigen Medresen (Koranschulen), Minaretten und türkisen Kuppeln (siehe Bild oben). Und hier thront die timuridische Gräberstraße Shohizinda, eine 70 Meter lange Anlage voller Mausoleen und Moscheen, ein Farben- und Ornamentikrausch in Blau und Türkis.
Für mich ist aber Buchara die Märchenkönigin Usbekistans. Und das hat nicht nur mit dem Mausoleum der Samanidendynastie zu tun, einem kunstvollen Lehmziegel-Bauwerk aus dem 10. Jahrhundert. Und nicht mit den zahlreichen Medresen. Und nicht mit den alten Handelsgewölben, in denen erst vor ein paar Tagen die letzte Karawane mit Seidenstoffen und Gewürzen durchgezogen zu sein scheint. Es sind auch die stillen Gassen, der Basar und das Altstadtzentrum Labi-Hauz, das gepflegt wie ein Freilichtmuseum ist, aber bevölkert mit Usbeken und Touristen.

Und in Buchara steht das Denkmal von Nasriddin Afandi (oder Hodscha Nasreddin), die orientalische Version von Till Eulenspiegel. Dessen Erlebnisse sind unter anderem in dem Band „Uzbekischer Volkshumor – Wer die Maus unter dem Arm kitzelt“ festgehalten, den ich von einem freundlichen Händler erworben habe. Eine Kostprobe:
Afandi hatte nie ein Minarett gesehen. Eines Tages kam er in eine große Stadt, wo es viele Moscheen und Minarette gab. Afandi glotzte sie mit aufgerissenen Augen an und entdeckte plötzlich, dass auf einem der Minarette ein Muedsin die Gebetsrufe hervorbrachte. Afandi machte Stielaugen und schrie: „O, du Verrückter. Warum bist du hinaufgestiegen, wenn du nicht hinunter kannst?“

Medresen: Ja, es gibt unglaublich viele Medresen in Usbekistan, und zwar von der allerprachtvollsten Sorte – riesengroß, perfekt geometrisch und mit erhabenen Portalen, über und über verziert mit bunten Majolika-Kacheln. Die meisten Koranschulen wurden allerdings von Lernstätten zu Souvenirmärkten umfunktioniert.
Majolika: An Majolika kann man sich in Usbekistan sattsehen ohne Ende. Die Nekropole Shohizinda in Samarkand ist ein gigantisches Majolika-Museum. Und an den Medresen in Buchara lässt sich die Zierde in allen möglichen Zuständen studieren – von perfekter Restaurierung bis zu Fassaden, an denen der Zahn der Zeit kräftig genagt hat. Die Usbeken haben aber noch andere Kunstfertigkeiten zu bieten – Seidenteppiche, Malerei auf Seidenpapier und Koranständer, geschnitzt aus einem Stück.

Fotos: pa