Tempelruinen aus der Steinzeit, mehr als 365 Kirchen und die einstige Hauptstadt Mdina mit ihren malerischen Gassen: Malta ist eine prall gefüllte Schatzkammer für Kulturreisende. Doch die Mittelmeerinsel hat auch ein Mekka für Partyjünger zu bieten. Ein Streifzug durch die „Sin City“ von St. Julian’s.
Aus dem „Havana“ wummert Hip-Hop. Gegenüber aus der Shisha-Bar wabert Wasserpfeifennebel und sphärische Ambient-Musik. In der „Shadow Lounge“ wiegen sich die ersten Nachtschwärmer zu House-Klängen. Die milde Abendbrise trägt das Odeur ausschweifender Party-Nächte durch die Gassen: Alkohol, Parfüm, Zigaretten, Schweiß.
Wenn es Nacht wird auf Malta, beginnt in St. Julian’s das Party-Herz der Insel zu pochen: laut, schnell und voller Leidenschaft für alles Maßlose. Party-Jünger aus den verschiedensten Nationen, aber auch Einheimische pilgern Abend für Abend in den Küstenort im Nordosten, um sich bis in die frühen Morgenstunden unter vollem Einsatz von Leib und Gesundheit der Leichtigkeit des Seins hinzugeben – Tanzen, Trinken und Anbändeln in den Clubs und Bars, Filme schauen im Kinotempel, das Glück herausfordern in den blinkenden Kasinos, Küsse verteilen am Strand der St. George’s Bay.
Noch kein Jahrhundert ist es her, da war St. Julian’s ein geruhsames Fischerdörfchen. Erst als reiche Malteser zuzogen, begann der Wandel zur Feier- und Touristenzone. Heute drängen sich im Vergnügungsviertel Paceville mehr als 350 Diskotheken und Kneipen, dazwischen Pizza- und Dönerbuden, Sushi-Bars, Fast-Food-Ketten, das Einkaufszentrum Bay Street, Souvenir-Shops und Sprachschulen. Denn viele der jungen Touristen kommen nach St. Julian’s, um in Intensivkursen ihr Englisch zu drillen. Zumindest ist das wohl der Deal mit den Eltern.

Wenn der Party-Beat mit dem Sonnenaufgang verstummt, schlägt die Stunde der Reinigungsfahrzeuge. Brummend und zischend befreien sie die Straßen der „Sin City“, wie Paceville auch genannt wird, von den Spuren der Nacht (Wehe dem, der ein Hotelzimmer zur Straßenseite hat und gerne bei geöffneten Fenstern schläft …). Bald darauf treten die Kulturreisenden auf den Plan. Sie sind auf Malta vor Tauch- und Sprachurlaubern in der klaren Überzahl, verlassen St. Julian’s aber meist schnell auf ihre Sightseeing-Touren, wenn sie nicht sowieso in einem ruhigeren Ort logieren.
Tagsüber kann Paceville die Trostlosigkeit einer Geisterstadt annehmen, jedenfalls in der Nebensaison, während sich die bekannten Sehenswürdigkeiten der Mittelmeerinsel mit Touristen füllen: die schattigen Gassen der ehemaligen Hauptstadt Mdina und die heutige Hauptstadt Valletta mit Kulturschätzen wie dem Großmeisterpalast, der blattgoldbeladenen St. John’s Co-Kathedrale und dem Casa Rocca Piccola, das den Reichtum einer alten Adelsfamilie detailliert ausstellt. Dann die zum Unesco-Weltkulturerbe zählenden megalithischen Tempelanlagen und das Hafenstädtchen Marsaxlokk mit dem beliebtesten Fotomotiv Maltas, den bunt bemalten Fischerbooten.

Und schließlich die Kirchen: Mehr als 365 soll es auf der Insel geben – für jeden Tag des Jahres eine, wie die Touristenführer ihren Gruppen gerne als Merkregel dozieren. Bei 410.000 Einwohnern und einer Fläche von 316 Quadratkilometern, was der Hälfte Hamburgs entspricht, in der Tat bemerkenswert. Ein besonders gigantisches Modell steht in Mosta: die Maria-Himmelfahrts-Kirche mit der weltweit viertgrößten Kirchenkuppel.

Die maltesische Bevölkerung ist zu 98 Prozent katholisch, worauf in Paceville – von den Sankt-Soundso-Straßennamen abgesehen – erst einmal nicht viel hindeutet. Am Wochenende erreicht das Feierfieber in dem Viertel seinen Höhepunkt. Mädchen stelzen auf kugelschreiberdünnen und fast ebenso langen High Heels die Treppen der St. George’s Road hinauf, die überirdisch anmutigen Körper in eine Ahnung von Stoff gehüllt und die puppenhaft bis dramatisch geschminkten Gesichter von frisch geföhntem Seidenhaar umflort. Wenn die Party-Elfen Flügel hätten, wohin würden sie dann fliegen? „Hierher“, sagt eine und streicht den mokkabraunen Seidenhaarschleier beiseite und lächelt.
Vor den Clubs haben sich Schlangen gebildet. Das Licht der Leuchtreklamen zaubert ein Regenbogenland der Verheißungen. Eine Gruppe Jungs tigert noch unschlüssig herum: Sollen sie in einem der Techno-Schuppen raven, an der Promenade ein Bier der Inselmarke „Cisk“ zischen, die spärlich bekleideten Tänzerinnen in den Gentlemen’s Clubs beehren oder im „Qube“ eine Wodka-Orgel kippen? Oder alles, aber was zuerst?

Fotos: pa
CLUBS, KONZERTE, FESTIVALS
Weitere Informationen zum Nachtleben und zur Kulturszene von Malta gibt es beim Fremdenverkehrsamt unter http://www.visitmalta.com/de/enjoy-the-nightlife.
Der Bericht klingt fast so, als müsste man noch mal jung sein.