Finnland, Nie wieder

Höllenritt mit acht Hundestärken


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Nie wieder will ich mit einem Husky-Gespann durch die finnischen Wälder donnern, …

… denn es ist eine Slalom-Fahrt mit ungewissem Ausgang.

Schon bevor wir sie zwischen den tief verschneiten Bäumen sehen konnten, hörten wir sie: bellen, jaulen und heulen, als wären sie auf dem Weg zum Schafott und ohne jeden Glauben, im Falle eines Hinscheidens in einen Hundehimmel voller fliegender Knochen aufzusteigen. Die Huskys, mit denen wir eine Schlittenfahrt in die Winterlandschaften Finnisch-Lapplands unternehmen wollten.

In meiner Fantasie hatte ich die Unternehmung hoffnungslos romantifiziert. Lautloses Gleiten durch endlose Schneeweiten. Den blauweißen Winterhimmel über uns. Ein Horizont mit der lautersten Illusion von Unendlichkeit. Wir würden uns an den Bäumen ergötzen können, die unter glitzernden Schneemassen dem nächsten Sommer entgegendämmerten. An Zweigen mit Eiszapfenschmuck und einem Pelz aus Puderschnee. An filigranen Frostkostümen über Sträuchern, zwischen denen jederzeit eine Eisprinzessin hätte hervortanzen können, gekrönt mit einem Diadem aus Eiskristallen und Augen so stahlblau wie die der Huskys.

Und dann blickte ich in diese Hundeaugen, die so eiskalt waren, dass ich zu Bibbern begonnen hätte, wenn das wegen der extremen Minusgrade nicht ohnehin schon der Fall gewesen wäre, und so Energie versprühend, dass mir mein Vorhaben plötzlich unfassbar anmaßend erschien: Diese schwarzweißen Raketen auf vier Beinen sollte ich nun lenken? Jede Verklärtheit war Schall und Rauch. So beschaulich würde der Ausflug nicht werden. Nein, ganz gewiss nicht.

Nach einer minimalistischen Instruktion – Bremse ist hinten am Schlitten und per Draufsteigen zu betätigen, in den Kurven das Gewicht verlagern, ansonsten einfach dem Tross folgen – wurden die Hunde auch schon freigelassen und stoben mit einem Heulen los, das mir durch Mark und Bein ging und mich fast gelähmt hätte, wäre da nicht der starke Wille gewesen, das Abenteuer unbeschädigt zu überstehen.

Denn was nun kam, war ein Höllenritt, der vollen körperlichen Einsatz und höchste Konzentration erforderte. Eine Achterbahnfahrt durch dichte Wälder, Rechtskurve, Linkskurve, Rechtskurve, um die Stämme herum, Gewicht verlagern, damit einen die Fliehkräfte nicht von dannen tragen, gut am Griff festklammern, nur nicht kentern. Dann ein Schneefeld, mein Gespann lief zu Höchstgeschwindigkeit auf und an das Vordergespann heran. Auf die Bremse gehen, halbes Gewicht, ganzes Gewicht, gut 60 Kilo auf Eisenkrallen im Schnee – nichts, das Geschoss aus acht Hundestärken und 32 Beinen war nicht zu stoppen.

Plötzlich ein Hügel und noch einer, jetzt nur nicht Abbuckeln lassen, dann eine scharfe Rechtskurve in den Wald, bloß nicht umkippen und vom hinteren Schlitten überfahren werden, wieder eine Biegung, die Hunde wollten den kürzesten Weg nehmen. Mit Karacho und nur einer Kufe auf dem Boden legten wir uns in die Kurve. Ich sah mich schon im hohen Bogen durch die Lüfte fliegen und wie ein Knetmännchen an den Bäumen kleben, allerdings wäre ich dafür wohl schon zu steif gefroren gewesen und beim Aufprall eher zersplittert, doch wie durch ein Wunder gelang das Manöver.

Wenige Schreckminuten später geriet der Schlitten vor mir ins Straucheln. Mein Schlitten strauchelte auch, der hintere ebenso, der Schlittenführer musste kommen, um den Kuddelmuddel aus Geschirren und Hundebeinen zu entwirren. Das Gejaule der Tiere erreichte einen neuen Höhepunkt der Erbärmlichkeit. Es fehlte nicht viel, und ich hätte eingestimmt. Am liebsten wäre ich jetzt zu Fuß weitermarschiert und hätte die Hunde aus den Leinen befreit. Doch der Höllenritt durch den Traum aus Weiß, der auch genau so märchenhaft war wie vorgestellt, nur dass keine Zeit zum Genießen blieb, ging noch weiter.

Endlich kam der Ausgangspunkt in Sicht. Die Huskys wollten weitersausen, aber bestimmt lieber ohne eine blutige Schlittenlenkeranfängerin wie mich. Ich kann dazu sagen: Der Trennungswille beruhte auf Gegenseitigkeit.

Finnland_Winter_Eisblumen
Traum in Weiß, aber keine Zeit, ihn zu genießen.
Fotos: pa

6 Comments

  • Hallo Pilar,
    das schrecklichste meiner Husky-Erlebnisse war, deren grundsätzliche Weigerung, bei Steigungen weiterzulaufen. Ich war ihnen zu schwer! Sie fordern dich mit unverfrorenen (!) Blicken auf, den mühsamen Weg gefälligst zu Fuß zu stampfen. Und sie haben, ich schwör es, dabei nicht mit den Wimpern gezuckt. Geschweige denn geklimpert. Winnie

    • Oha, sag ich ja, die Viecher sind die tiergewordene Kaltschnäuzigkeit. Klingen auch höchst unkomfortabel, deine Erlebnisse. Ich glaube aber, dass solche lahmen Flotten eher die Ausnahme sind. Herzlichen Gruß!

  • Hihi, Deine Schilderungen … sofort kamen die Erinnerungen meiner eigenen Huskytour wieder, 14 Tage (!) im Norden Kanadas… Dabei haben wir noch nicht mal einen Hund zuhause… Trotz Achterbahnfahrt durch dichte Wälder, aus-der-Kurve-fliegen und vielem mehr, es war und bleibt unvergesslich und heute bin ich froh, dass ich diesen Kindheitstraum wahr gemacht habe.

    • 14 Tage Huskytour durch Kanada – das ist natürlich eine ganz andere Abenteuerdimension als der von mir geschilderte Kurztrip. Unvergesslich bleibt er trotzdem. Deine Kindheitsträume scheinen auf jeden Fall besonders zu sein. ;-)

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