Während des südafrikanischen Apartheidregimes wurde die schwarze Bevölkerung nach Katutura zwangsumgesiedelt. Heute führt das Township am Rande von Namibias Hauptstadt Windhoek ein buntes Eigenleben. In einer Frauenwerkstatt erstand die reisekorrespondentin (dr) ein Stoffpüppchen mit himmelwärts zeigenden Zöpfen.
dr: Hello, du herziges Stoffpüppchen! Ich würde mich mit dir gerne ein wenig über Katutura unterhalten.
Stoffpüppchen (lächelt und nickt, dass die Zöpfe wippen): Klar. Viel weiß ich aber nicht. Ich bin ja noch klein.
dr: Seit Katutura aus dem Boden gestampft wurde, um die schwarze Bevölkerung zu separieren, sind nun viele Jahrzehnte vergangen. In der Sprache des Herero-Volkes bedeutet Katutura so viel wie „der Ort, an dem wir nicht leben wollen“. Trifft das denn noch zu?
Stoffpüppchen (lächelt): Es hat sich viel verändert. Man kann sich kaum noch vorstellen, dass hier mal nur Einheitshäuser in der Einöde standen. Wie du sicherlich schon gesehen hast, ist Katutura heute kunterbunt. Es gibt Märkte, Kunstzentren, kulturelle Projekte … Manche nennen die Gegend jetzt auch Matutura – „der Ort, an dem wir leben wollen“. Trotzdem bestehen immer noch viele Probleme: Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Kriminalität.
dr: Du stammst aus der Frauenwerkstatt Penduka. Das Projekt soll Frauen dazu ermutigen, mit Handarbeiten von Zuhause aus Geld zu verdienen, ohne teure Materialien und Maschinen. Schon mehr als 650 Frauen sind für Penduka beschäftigt. Sie fertigen Perlenketten aus recyceltem Altglas, Armbänder aus lackierten Altpapierröllchen und bergeweise Püppchen aus Stoffresten – Mädchen, Jungen, füllige Mamas und Babys.
Stoffpüppchen (zwinkert): Wir haben in Namibia eine hohe Geburtenrate.
dr: Wobei die Mütter manchmal selbst noch halbe Kinder sind, ohne abgeschlossene Schulausbildung.
Stoffpüppchen (schaut bekümmert): Ja, das stimmt. Auch ein Problem.
dr: Wenn man nicht bei den Frauen von Penduka ein Namibia-Souvenir ersteht: Wo sonst am besten?
Stoffpüppchen: Die Holzmärkte bieten eine riesige Auswahl an geschnitzten Mitbringseln – Tiere, Schmuck, Masken. Allerdings werden dort immer wieder auch Sachen dazwischen geschmuggelt, die aus anderen Ländern stammen. Wer sichergehen will, dass es sich um namibisches Kunsthandwerk handelt, sollte im Atelier von Penduka einkaufen. Alle Fabrikate sind Unikate.
dr: Kann man denn Touristen empfehlen, auf eigene Faust durch Katutura zu streifen?
Stoffpüppchen (nestelt an seinen Zöpfen): Ich würde empfehlen, einen einheimischen Guide zu buchen, zum Beispiel bei Katu Tours. Das ist nicht nur sicherer, sondern man erhält auch interessante Informationen über das Viertel.
dr: Okay, dann ziehen wir jetzt zusammen weiter? Wenn du willst, kann ich dich später wieder hier bei deiner Stoffpüppchenfamilie absetzen.
Stoffpüppchen: So machen wir’s.







Fotos: pa
Netter und intersanter Beitrag nur schade, das Püppchen kann man nicht im Internet kaufen.
Stimmt leider. Dafür gibt’s in dem Webshop von Penduka aber viele andere hübsche Sachen.
Wunderbar, Pilar.
Deine Schreibe würde ich inzwischen auch außerhalb deines Blogs fast jederzeit erkennen.Ist inzwischen eine eigene Marke.
Aber Vorsicht, allzu viele Wiederholungen und Neuaufgüsse könnten sich negativ auswirken, auch wenn sie einmal sehr gut waren.
„Interview mit …“, o. Ähnliches.
Wie wäre es mit landestypischen Speisen, Getränken und Freizeitbeschäftigungen?
„Ein Bier mit einem Bayern“, „Boule mit einem Südfranzosen“, „Tour de France – mitten im Feld“,
Ok, soll aber keine Kritik sein. Mach weiter so. Ich finde es klasse.
Friedrich
Für solcherlei Anmerkungen bin ich dankbar und für neue Vorschläge ebenso. :-) Ich selbst habe zwar den Eindruck, tendenziell zu viele Rubriken/Serien zu haben, denen ich teilweise nur selten mit neuen Beiträgen nachkomme. Über die Idee mit den landestypischen Freizeitbeschäftigungen werde ich aber mal nachdenken – die finde ich echt gut.
Mir persönlich ist speziell dieser Artikel zu harmlos. Und „landestypische Freizeitbeschäftigungen“? Warum fällt mir da das Leben des Brian ein? Komm, wir gehen zur Steinigung! Da ist immer was los!“ Ist das denn im „One world“-Fieber politisch korrekt, noch Landestypisches zu haben.
In Nigeria ist es derzeit „landestypische Freizeitbeschäftigung“, den Männern des Dorfes die Beine abzuschneiden, falls sie vor dem Zusammentreiben zu fliehen gedenken. Die Witwen verbringen dann ihre Freizeit mit Bekochen von „Boko haram“ („Bücher sind Sünde“).
Was mich interessieren würde, geht über Tourismus, das gegenseitige Besuchen zwecks Begaffen des Neuen, etwas hinaus. Man muss da immer gucken, dass das nicht in Mädchenromantik a la „Ich hatte eine Farm in Afrika“ abgleitet.
Welche Böden liegen im Land vor? Klima und mögliche Klimaänderung? Was wird auf den Böden wie und warum angebaut? Was bleibt im Land, was wird in welcher Menge exportiert? Wohin? – Reproduktionsraten des Landes und Hintergründe dazu. Besitzverhältnisse? Besitzverteilungen? Stammessituationen? Stammesverhältnisse? Situation der beiden Geschlechter zueinander? Religionsverhältnisse? Wer führt Krieg gegen wen – und um welche Ressourcen geht es dabei?
Industrialisierungsgrad? Maschinenbau? Welche Branchen konnten sich wann und wie erfolgreich etablieren? (oder eben nicht).
Zu Namibia fällt mir als eher welt-unbedarftem deutschem Menschen auch weniger die Nachbarschaft zum Staat Südafrika ein als Kaiser Wilhelms nachgeschobenes Kolonial-Experiment. Ist ja erst 100 Jahre her. Was blieb davon übrig? Wie steht wer heute dazu? Hat durchaus einen Polit-Bezug zu heute, angesichts gewisser Begehrlichkeiten.
Wer ist dafür verantwortlich, dass „Mütter halbe Kinder“ sind? Wie ist die Lebenserwartung? Migrationsbewegungen innerhalb des Landes? Handelsbilanzen?
Unter der Annahme, Tourismus hätte nichts mit realem Leben zu tun (bis auf die Deviseneinnahmen), wären solche Fragen freilich nicht aufzuwerfen. Aber es gibt ja auch den sog. Bildungstourismus. Tourismus kann ja auch in Handelsverbindungen münden. Aber um Handel zu treiben, muss man die Verhältnisse im Land kennen.
Sehr geehrter Herr Anybody,
Ihr Interesse an ausführlichen Hintergrundinformationen zu Namibia und anderen Ländern ist grundsätzlich sehr begrüßenswert. Wie Sie inzwischen aber wissen könnten, folgt dieser Blog – neben ökonomischen Rahmenbedingungen – einer Konzeption. Ich werde sie Ihnen noch einmal skizzieren.
Die Inhalte dieser Website sind an eine Leserschaft adressiert, die sich für Reisen/„fremde Welten“ im Allgemeinen interessiert – sei es nun als „Ohrensessel-Reisender“, der eine Reportage eher als Reise-Surrogat konsumiert, oder als „Weltenbummler“, der sich inspirieren lassen will. Dieser Zielgruppe biete ich eine Melange aus erheiternden/unterhaltsamen und ernsthaften/informierenden Beiträgen, bei der ich um Ausgewogenheit bemüht bin.
Sollten Sie sich nicht zu dem genannten Personenkreis zählen, so möchte ich Ihnen andere Informationsquellen ans Herz legen, die Ihre Special-Interest-Themen – Architektur, Handel, Autos, Landwirtschaft und was es sonst noch alles sein mag – besser bedienen und womöglich alles mit allem sogar in Zusammenhang setzen.
Zwar streifen meine Reisereportagen je nach Schwerpunkt auch politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und/oder soziale Entwicklungen. Einen kompletten Rundumschlag nebst Analyse können sie jedoch nicht liefern: Erstens, weil dann keine Reisereportage, sondern ein Buch dabei herauskommen müsste. Und zweitens, weil die Kernkompetenzen zu den einzelnen Bereichen in andere Ressorts gehören.
Zur „Mitbringsel“-Rubrik im Speziellen: Sie fungiert meist als Ergänzung zu anderen Berichten über die Destinationen. Am Ende der Texte gibt es hierfür den Hinweis auf „Ähnliche Beiträge“. So werden einige Punkte aus Ihrem Fragenkatalog beispielsweise in der Reportage „Mathe lernen ohne Meali-Pap“ touchiert.
Zuletzt möchte ich noch auf einen limitierenden Faktor hinweisen: Recherchen kosten Zeit/Geld. Wie Ihnen aufgefallen sein mag, sind auf dieser Website weder Werbeanzeigen platziert noch ist das Abrufen der Artikel und Fotos mit Gebühren verbunden. Auch erhalte ich für Veröffentlichungen an dieser Stelle keine Bezahlung. Ferner gibt es keine direkten Produktbewerbungen, lediglich weiterführende Informationen/Links zu den beschriebenen Reisen, Regionen, Museen, Attraktionen, Hotels usw.
Wenn Sie sich in der Reiseblogger-Szene einmal umgeschaut haben, dann wissen Sie sicherlich: Man kann damit durchaus Geld verdienen. Grob zusammengefasst lauten die Erfolgsrezepte so: Man schließe sich irgendwelchen Kollektiven an, die ein Label für Seriosität installiert haben (sprich: bezahlte Beiträge sind als solche zu kennzeichnen – also nahezu alle). Zugleich erschaffe man sich als „Marke“, um als Markenbotschafter für andere Marken (Kamerahersteller, Rucksackfabrikanten, Traveller-Kreditkarten, Hotelketten …) ins Spiel zu kommen. Das Ganze äußert sich dann in Formaten wie den „ultimativsten Packlisten“ oder den „geilsten Momenten in …“ und der Verbreitung von „Insider-Tipps“ in möglichst vielen Social-Media-Kanälen. Beliebt sind auch Tutorials/Workshops zur Erläuterung der Erfolgsrezepte.
Kurzum: Ergänzungen oder auch konkrete Kritik zu einzelnen Beiträgen/Rubriken sind herzlich willkommen. Eine „Grundsatzdebatte“ über die Widersprüche des Reisejournalismus, die ja durchaus bestehen, möchte ich auf diesem Kommunikationsweg nicht führen. Sollten Sie an Literatur zum Genre interessiert sein, so nenne ich Ihnen diese gerne.
Gruß von der reisekorrespondentin
PS: Auf Großbild Nr. 6 fällt mir ein Elefant mit eingerolltem Rüssel auf. Endlich mal nicht die Standardpose bei elefantösen Mitbringseln seit den 1970-er Jahren.
Das Exemplar mag zwar in dieser Serie als Mutant wirken (die Rüsselform ist sicherlich auch anspruchsvoller zu schnitzen). Aber auch die Batik auf Großbild Nr. 5 zeigt zum Beispiel eine andere Pose.
„Aber auch die Batik auf Großbild Nr. 5 zeigt zum Beispiel eine andere Pose.“
Ein Missverständnis. Meinerseits war die Anmerkung zu den Elefanten keine Doppeldeutigkeit. Die entsprechende Präferenz ist natürlich der Anatomie geschuldet, klar.
Guten Tag also! Danke schön für die Erläuterungen. Es tut mir leid, wenn sich Menschen eher für das Reisen an sich, weniger für dessen Inhalt interessieren. Aber klar muss man aus Anbietersicht darauf Rücksicht nehmen. Verständnis meinerseits.
Klingt nicht so, als hätten die Erläuterungen zum Verständnis beigetragen. Mir wiederum ist nicht verständlich, worin das Missverständnis hinsichtlich der Elefanten besteht. Ist aber auch nicht wichtig.
In der Tat: unwichtig. (was eine philosophische Bestätigung sei).
Zum Verständnis: doch doch! Das Korrespondententum an sich betreffend, fand ich zwei schöne Zitate von Jürgen Leinemann (politisch) und Matthias Matussek (allgemein). Zweitgenannten im Zitat:
„„Jeder weiß, daß Afrika mehr ist als Hunger und Seuchen, Fernost mehr als Fleiß und Uniformen, Russland mehr als Ikonen und Armut, Amerika mehr als Glamour und Verfall. Doch jeder weiß ebenso, daß es diese Geschichten sind, die in den vergröbernden Sortierungen des heimischen Marktes hängen bleiben: Nichts liest man zu Hause lieber als das, was man sich schon immer gedacht hat. Und nichts, so läßt sich mit einiger Sicherheit vermuten, landet schneller im Heft oder auf einem Sendeplatz als die Bestätigung eines Vorurteils.“
Zugegeben nach Wikipedia. Doch es sei Ihnen Bestätigung gewählter Wege.
Zur Elefantensouvenirpose: Um welche Frage geht es? Primär um die Betrachtung des Marktes oder um die der Nachfrage?
Zum Zitat: Hier wäre sicherlich noch zwischen Vorurteilen und Stereotypen im Sinne einer eher affektiven oder eher kognitiven Reproduktion von Vorstellungen zu unterscheiden. Reisejournalistische Formate laborieren – meiner Beobachtung nach – tendenziell mit Letzterer.
An dieser Stelle noch ein anderes Zitat, das vielleicht bereichernd wirken mag: „Der kluge Mann reist nur in Gedanken. […] Die Reisen, die man vor seinem eigenen Kamin unternimmt, sind wahrscheinlich die schönsten; denn dabei büßt man keine Illusionen ein“ (Maugham 1951, zit. nach Hans J. Kleinsteuber 1997 in „Reisejournalismus“. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 14).