Wer keine Freude an endlosen Besichtigungsmarathons und Reizüberflutung hat, der ist auf Fehmarn goldrichtig. Die wenigen und eher unerheblichen Sehenswürdigkeiten der Ostseeinsel kann man nebenbei abhaken – und sich ansonsten mit ruhigstem Gewissen in Hofcafés, an Fischbuden und an den Stränden mit Genießen und Nichtstun befassen.
An der kleinen Kreuzung am südwestlichen Ortsausgang von Kopendorf reibt man sich verdutzt die Augen. Auf den Schildern steht, dass es rechts nach Wallnau und Bojendorf geht und links nach Flügge, Orth – und zum „Jimi Hendrix Gedenkstein“. Durch eine Idylle aus Wiesen, Wallhecken und Feldern mit wogendem Weizen mäandert der Weg bis zum Meer. Was, das fragt man sich voller Verwunderung, hat dieser sagenhafte Gitarrengott mit einem Ostseeinselchen wie Fehmarn zu tun? Und warum wurde das Ehrenmal auch noch ausgerechnet im Nichts zwischen Kuhweiden und Deich etwa auf halber Strecke zwischen den Stränden von Flügge und Püttsee platziert? Das erscheint ungefähr so kurios, als würde man auf einem kleinen, nicht gerade international berühmten US-amerikanischen Eiland eine Gedenkstätte für einen deutschen Musiker entdecken, sagen wir auf irgendeiner der Inseln vor der Küste von Jimi Hendrix’ Geburtsort Seattle ein Denkmal für Rio Reiser, wenngleich der Frontmann der Kultband „Ton Steine Scherben“ freilich in einer anderen Bekanntheitsliga spielte.
Auf der Suche nach einer Erklärung für den Gedenkstein und dessen seltsamen Standort stößt man sogar auf einen Zusammenhang zwischen den beiden Musikern. Am ersten Septemberwochenende im Jahr 1970 feierte auf Fehmarn das Love-and-Peace-Festival mit etwa 25.000 Besuchern Premiere. Die Rockband „Ton Steine Scherben“, die sich zu diesem Zeitpunkt noch „Rote Steine“ nannte, spielte bei dem Open-Air-Event am Flügger Strand erstmals vor größerem Publikum. Für Superstar Jimi Hendrix war es hingegen der letzte Festival-Auftritt seines Lebens. Zwölf Tage später starb er in London, gerade einmal 27 Jahre alt. An der Stelle, an der sich auf dem ehemaligen Festgelände die Bühne befand, auf der Jimi Hendrix solche Megahits wie „Hey Joe“, „Purple Haze“ und „Voodoo Child“ spielte, erinnert seit 1997 ein großer Granitstein an die Geschehnisse. In den 2,5 Meter hohen Findling sind eine Fender-Gitarre und die Inschrift „Jimi Hendrix Fehmarn Love and Peace Festival 4. – 6. Sept. 1970“ eingraviert.
Ironischerweise verläuft das Festival alles andere als liebevoll und friedlich. Genau genommen geht so ziemlich alles schief, was bei einer Veranstaltung dieser Art schiefgehen kann. Die beispiellose Bruchlandung in der Kurzfassung: Drei junge norddeutsche Kneipiers treten mit keiner geringeren Vision an, als in Deutschland ein Event nach dem Vorbild des legendären Woodstock-Festivals zu erschaffen. Vor der Kulisse einer in weiches Spätsommersonnenlicht getauchten Dünenlandschaft sollen Hippies und Rockfans aus ganz Europa in Harmonie zusammen feiern. Doch Fehlplanungen, finanzielle Engpässe, Schlägereien zwischen Ordnern und Rockern kombiniert mit scheußlichem Wetter lassen den Versuch grandios scheitern. Statt badetaugliche Temperaturen und Sonnenuntergänge mit magischen Farbspielen erleben die Blumenkinder auf Fehmarn drei Tage lang fast durchgehend Sturm und Regen. Von einem „Hawaii Deutschlands“, wie die Insel als eine der sonnenreichsten Regionen Deutschlands in der Tourismuswerbung auch bezeichnet wird, kann wahrlich keine Rede sein. Mehrere Bands sagen kurzfristig ab, alles versinkt im Chaos und Matsch, die Stimmung verschlechtert sich zusehends. Am Ende des letzten Veranstaltungstages eskaliert das Ganze. Während Rio Reiser mit seiner Band das Lied „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ schmettert, geht der Bauwagen der Festivalleitung in Flammen auf – und kurz darauf auch die Bühne.
Nachdem diese Bildungslücke beseitigt ist, kann man sich der übrigen Insel zuwenden. Hat man das Glück, dass der Fehmarn-Aufenthalt mit einer Traumwetterperiode zusammenfällt, also ausnahmslos jeden Tag die Sonne vom nahezu oder gänzlich wolkenlosen Himmel scheint und sich eine Brise dazugesellt, die zart wie Engelsflügel durch die Dünen und über die wie flüssiges Silber glitzernde Ostsee streicht, dann möchte man meinen: Lieblicher und friedlicher geht’s kaum. Einfach alles auf dem Eiland lädt zum Durchatmen und Entspannen ein – die reine Luft, das um die Wette leuchtende Blau von Himmel und Meer, die im Schneckentempo am Horizont vorbeiziehenden Silhouetten der Segelschiffe, die Spazierwege auf den Deichen mit Freiheit und Unendlichkeit suggerierendem Weitblick zu allen Seiten, die goldenen Getreidefelder und weiten Wiesen mit sich gemächlich drehenden Windrädern und in größter Gemütsruhe grasenden Schafen und Hochlandrindern, die komprimierte Beschaulichkeit verströmenden Ortschaften, die klassischerweise aus nicht viel mehr bestehen als einem Teich mit Fontäne, um den sich eine Handvoll Häuser, mit Sonnenkollektoren eingedeckte Riesenscheunen und manchmal noch ein Café, ein Gasthof, ein Souvenirladen oder ein Kunstatelier gruppieren, dazwischen an Gartenzäunen oder Toren lehnende meerblau gestrichene Holzkreuze, die dekorierend statt alarmierend wirken, eher wie ein Friedens- als ein Protestsymbol, obwohl sie eben das sein sollen – ein Zeichen des Widerstandes der „Beltretter“-Bewegung, die den Bau des 17,6 Kilometer langen Fehmarnbelttunnels hinüber zur dänischen Insel Lolland stoppen will.











Kurzum: Wer eine reizarme Umgebung als Erquickung und Touristengetümmel als Tortur empfindet, ist auf der Ostseeinsel genau richtig. Schon das Format von Fehmarn nimmt sogleich jeden Sightseeing-Druck. Auf einem 185 Quadratkilometer großen Gebiet, dessen maximale Ausdehnung gerade einmal 21,8 Kilometer misst, kann es keinesfalls dermaßen viele Must-see-Attraktionen geben, dass man einen endlosen Besichtigungsmarathon befürchten müsste. Die erste Sehenswürdigkeit erlebt man ohne jeden Aufwand ganz automatisch: die knapp einen Kilometer lange Fehmarnsundbrücke, über die man seit 1963 vom schleswig-holsteinischen Festland auf die Ostseeinsel gelangt. Aus der Seitenansicht erinnert die schlanke Stahlkonstruktion mit dem 45 Meter hohen Netzwerkbogen an einen Kleiderbügel, weshalb die Brücke auch als solcher bezeichnet. Die anderen Bauwerke, Institutionen und Stellen, die in den einschlägigen Quellen als besuchenswert deklariert werden, verteilen sich relativ gleichmäßig über die Insel: Leuchttürme, Kirchen, Naturreservate, Windmühlen, Museen, Denkmäler und eine Burgruine.
Ferner existieren auf Fehmarn noch solche Ausflugsziele mit geringem oder gar keinem Regionalbezug, deren Abhaken deshalb selbst für bildungsbeflissene Touristen keineswegs zwingend ist. Man muss nicht auf der Insel gewesen sein, um in Burgstaaken über eine Kartbahn zu donnern, in Staberdorf Alpakas auszuführen, in Meeschendorf beim Adventure Golf abzuschlagen oder im Inselhauptort Burg in der Galileo Wissenswelt seine Bildung auszubauen und im drittgrößten Schmetterlingspark Deutschlands farbenfrohe Falter zu beobachten. Man muss auch nicht nach Fehmarn gefahren sein, um an Schietwettertagen in die Badewelt Fehmare oder in die 3.000 Quadratmeter große Erlebnislandschaft Vitarium am Südstrand zu flüchten, um unter Glasdächern zwischen Cafés, Restaurants, künstlichen Bächen, Brunnen, Palmen und Spielplätzen für einen baldigen Wetterumschwung zu beten.
Ein paar weitere Freizeiteinrichtungen passen mit ihrer maritimen oder bäuerlichen Thematik immerhin grundsätzlich zu Fehmarn – das Meereszentrum zum Beispiel, ein tropisches Meeresaquarium mit Korallengärten, begehbarem Unterwassertunnel und gigantischem Ozeanaquarium, die Farmworld mit landwirtschaftlichem Betrieb im Miniaturformat, das U-Boot-Museum mit Probeliegen in Mannschaftskojen und Silo Climbing in Europas höchster Toprope gesicherten Kletteranlage. Bis zu 40 Meter führen die 16 Kletterrouten die Speichertürme hinauf.
Konzentriert man sich auf jene Art von Sehenswürdigkeiten, die man aufgrund ihrer Einmaligkeit nicht guten Gewissens aussparen kann, dann hält sich die Zahl in Grenzen. Praktischerweise kommt man an den meisten Standorten ohnehin direkt oder mit winzigen Schlenkern vorbei, wenn man auf dem Weg zu einem der Strände ist, deretwegen man ja schließlich hauptsächlich auf eine Insel reist, sei es nun zum Sonnen, Schwimmen, Segeln, Surfen, Spazieren oder Sinnieren. Fehmarn kann diesbezüglich mit einer wunderbaren Vielfalt aufwarten: Es gibt kiesige und feinsandige Küstenstreifen, flache und steilere, nordseehaft raue und südseehaft sanfte, von Dünen, Wiesen oder Hoteltürmen flankierte, wilde und welche mit Infrastruktur. Selbst an Supersommertagen in der Hochsaison kommt es selten vor, dass die Parkplätze rappelvoll und die Strände mit Handtüchern tapeziert sind. Wenn man bereit ist, sich ein wenig von den Zufahrtsstraßen wegzubewegen, findet man immer irgendwo noch ein behagliches Plätzchen für seine Strandmuschel.
Steuert man also nach und nach die verschiedenen Küstenformationen an, je nachdem, ob einem der Sinn eher nach einem sportlichen Steilküstenspaziergang oder Faulenzen am flachen Sandstrand steht, mehr nach Einsamkeit oder nach Entertainment, dann kann man en passant die inseltypischen Attraktionen erledigen, die allerdings – wie eingangs schon angedeutet – eher mini als mega ausfallen. Das hat den Vorteil, dass die Besichtigung spontan und ohne stundenlanges Schlangestehen an Schranken erfolgen kann. In der Rubrik „Leuchttürme“ bietet Fehmarn fünf Exemplare: in Flügge, Marienleuchte, Staberhuk, Strukkamphuk und Westermarkelsdorf. Als Lokalkolorit machen sie sich allesamt gut auf Fotos, aber lediglich der Flügger Leuchtturm kann auch betreten werden. An klaren Tagen ist die Belohnung für den 162-Stufen-Aufstieg ein Blick bis nach Dänemark. In der Kategorie „Kirchen“ kann die Ostseeinsel mit vier historisch interessanten Bauwerken aufwarten. Deren Eigenheiten lassen sich kaum besser skizzieren als mit dem folgenden Verslein, das man den Kindern auf Fehmarn zu den Kirchen beibringt: „Burg ist die größte, Petersdorf die höchste, Bannesdorf die kleinste, Landkirchen die feinste.“
Im Sehenswürdigkeitengenre „Naturschutzgebiete“ liefert die Insel gleichfalls vier Einträge: die Krummsteert-Sulsdorfer Wiek im Südwesten, das Wasservogelreservat Wallnau im Westen, die Nördliche Seeniederung im Nordwesten und den Grünen Brink im Norden. Mit ihren Strandwällen und schlickigen Uferzonen, den Feuchtwiesen, Schilfflächen, Lagunen und Binnenseen sind die Areale ein Himmelreich auf Erden für Land- und Wasservögel. Mehr als 250 Arten haben sich im Laufe der Jahre im 300 Hektar umfassenden Wasservogelreservat Wallnau blicken lassen. Zu den zahlreichen Dauerbewohnern kommen im Frühling und Herbst noch massenhaft Durchreisende hinzu. Die Lage zwischen Mitteleuropa und Skandinavien macht Fehmarn zu einem begehrten Rastplatz für Millionen von Zugvögeln.
Noch überschaubarer wird es in der Attraktionenabteilung „Windmühlen“. Von den ehemals 17 fehmarnschen Windmühlen sind noch drei vorhanden – und wiederum nur eine davon ist für die Öffentlichkeit zugänglich: die nach einem ihrer Eigentümer benannte Segelwindmühle „Jachen Flünk“ in Lemkenhafen. Früher wurden in dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Bauwerk vom Typ Holländerwindmühle Gerste und Weizen zu Grütze und Graupen vermahlen, heute bildet es mit dem angrenzenden Mühlenspeicher ein Mühlen- und Landwirtschaftsmuseum, das Gerätschaften und Modelle lokaler Bauernhöfe ausstellt. Eine weitere museale Einrichtung, die unmittelbar mit Fehmarn zusammenhängt, befindet sich im Zentrum von Burg neben der Kirche St. Nikolai: das Heimatmuseum, das sich seit seiner Eröffnung 1897 in zwei Räumen der ehemaligen Lateinschule auf 23 Räume in drei Häusern ausgedehnt hat und mit 6.500 Exponaten die Inselgeschichte beleuchtet.
Im Schlendergang gerechnet, benötigt man vom Heimatmuseum rund zehn Minuten bis zu einer dritten Ausstellung, die sich intensiv um Fehmarn dreht. Im Obergeschoss der Burger Stadtbücherei zeigt der Ernst Ludwig Kirchner Verein originalgroße Reproduktionen der bedeutendsten Bilder des Künstlers. Zwischen 1908 und 1914 verbrachte der Expressionist und Mitbegründer der avantgardistischen Künstlergruppe „Die Brücke“ vier Sommeraufenthalte im Südosten von Fehmarn. In einem wahren Schaffensrausch produzierte Kirchner auf der Insel, in der er sein „irdisches Paradies“ gefunden zu haben glaubte, ein Zehntel seines Lebenswerkes: mehr als 120 Ölgemälde nebst etlichen Zeichnungen, Skizzen und Skulpturen. Der Maler war hingerissen von der Schönheit der Landschaft und dem von Schlichtheit und Sinnlichkeit geprägten Dasein, das für ihn einen wohltuenden Ausgleich zum rastlosen Großstadtleben in Berlin bildete. Auf Fehmarn konnte Kirchner seine Sehnsucht nach dem Einklang von Mensch und Natur stillen. Seine Kompositionen zeigen Küstenstriche, Bauernhäuser, Leuchttürme und immer wieder nackte Körper in Szenerien, die mit ihrer Farben- und Formenüppigkeit atmosphärisch in Richtung Südseeexotik tendieren. Tatsächlich fühlte sich der Künstler an die füllige Vegetation tropischer Gefilde erinnert. Er schwärmte: „Ocker, blau, grün sind die Farben von Fehmarn, wundervolle Küstenbildung, manchmal von Südseereichtum, tolle Blumen mit fleischigen Stilen.“
Von der Sehenswürdigkeitensorte „Denkmäler“ besitzt Fehmarn drei Stück: das bereits erwähnte Jimi-Hendrix-Ehrenmal, ein Kriegsdenkmal bei Landkirchen, das auf eine Schlacht während des Dreißigjährigen Krieges verweist, und das Niobe-Denkmal am Gammendorfer Strand, das an ein grauenvolles Seeunglück gemahnt. Zwischen den Dünen ragt ein Teil der Takelage jenes Schiffes in den Himmel, das am 26. Juli 1932 wenige Kilometer vor der Küste Fehmarns urplötzlich kenterte. Obwohl rasch Hilfe zur Stelle war, starben 69 Menschen. Bei besten Bedingungen war das Segelschulschiff der Reichsmarine mit lauter jungen Offiziersanwärtern an Bord von Kiel aus in See gestochen. Als der Viermastschoner den Fehmarnbelt passierte, geriet er in eine nicht vorhersehbare Gewitterbö. Aufgrund des heiteren Wetters hatte man alle Luken und Bullaugen geöffnet, was das Sinken des Schiffes beschleunigte.
Abermals knapper wird das Attraktionenangebot in der Kategorie „Burg“. Allerdings taugt Fehmarns flunderflache Topografie auch höchstens als Terrain für Tieflandburgen. Abgesehen von der gleichnamigen Inselortschaft, die gar nicht bastionsartig, sondern mit ihren Geschäften und gemütlichen Gaststätten im Gegenteil äußerst einladend wirkt, hat Fehmarn lediglich die mittelalterliche Burg Glambeck vorzuweisen – beziehungsweise das, was davon übrig ist: Reste von Ringwall, Ringgraben und Bergfried, angesichts derer man schon ausgesprochen fantasiebegabt sein muss, um die einstmals 53 Meter lange und 36 Meter breite Anlage vor dem inneren Auge auferstehen zu lassen. Tafeln mit Texten oder sonst wie geartete informative Aufbereitungen, die diesen Versuch begünstigen könnten, sind bislang nicht vorhanden. Überhaupt muss man die versteckt neben den neuzeitlichen Bettenburgen auf der Halbinsel Burgtiefe gelegene und mit Unkraut getarnte Ruine erst einmal entdecken. Ein kolossaler Karriereknick, wenn man bedenkt, dass die auf Geheiß von Dänenkönig Waldemar II. Anfang des 13. Jahrhunderts errichtete Niederungsburg bis zu ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg nichts Geringeres als der Dreh- und Angelpunkt der Inselgeschichte war.
Dann verbleiben noch einige Sehenswürdigkeiten, die sich am besten in der Sammelsuriumsparte „Sonstiges“ zusammenfassen lassen. Dazu gehört der 1935 bei Westermarkelsdorf im Meer verankerte „Ostseestöpsel“ – ein großer Stahldalben, der einst zum Messen des Wasserstandes und mit einer Leuchte ausgestattet zur Orientierung der Schiffe bei Nacht und Nebel diente. Den Kindern will man weismachen, dass sich die Ostsee wie eine Badewanne entleert, wenn man den Pegel herausziehen würde. Fragt man die Einheimischen nach dem Weg zum „Ostseestöpsel“, schauen sie einen erst verständnislos an, um nach weiteren Umschreibungen für das gesuchte Gebilde zu antworten: „Ach so, der olle Poller. Geradeaus, links und dann gleich hinter dem Deich.“ Dort eröffnet sich die Aussicht auf einen schief und verrostet im Wasser dümpelnden Pfahl. Verweilt man bis zum Sonnenuntergang, wird dieser doch verhältnismäßig belanglose Sightseeing-Stopp mit einem Naturfeuerwerk in flammendem Orange aufgewertet.









Sollte man nach einigen Tagen des geruhsamen Treibenlassens von Strand zu Strand und von Kleinstattraktion zu Kleinstattraktion doch irgendwann ein leichtes Verlangen nach zivilisatorischer Zerstreuung verspüren, dann kann man einen Besuch von Burg erwägen. Erst in dem größten Stadtteil der Stadt Fehmarn, zu der 2003 alle bisherigen Gemeinden administrativ zusammengewachsen sind, vermag man sich vorzustellen, dass neben den 12.000 Einwohnenden jährlich auch rund 350.000 Feriengäste die Insel bevölkern. Während sich die Urlaubenden ansonsten überaus ausgewogen über die 17 Campingplätze und vielen anderen Ferienunterkünfte in den 42 kleinen bis klitzekleinen Käffern verteilen, kann es in Burg schnell auch mal trubelig werden. Am späten Vormittag trudeln die Besucher und Besucherinnen scharenweise auf der Breiten Straße ein, werfen einen Blick in die Nikolai-Kirche mit ihren romanischen und gotischen Stilelementen, fotografieren den Marktplatz mit dem Rathaus in einem türmchengeschmückten Klinkerbau, flanieren durch die fischfrikadellenbedufteten und von Softeisdielen gesäumten Gassen, stärken sich in den Bistros und Restaurants namens „Kombüse“, „Kajüte“ und „Zum Haifisch“ und streifen durch die Ladenlandschaft, die für einen 6.000-Seelen-Ort eine beachtliche Produkt- und Preispalette aufweist: Boutiquen mit Outdoor-Edelbekleidung, handgemachten Häkelmützen und Thalassokosmetik, Textildiscounter mit Polyesterpullis und Plastiksandalen, Spezialgeschäfte mit dem neuesten Equipment für den Wind- und Angelsport – und jede Menge Shops mit Schnickedöns, wie man im Norden auch zu Nippes sagt, vermutlich eine Kofferwortkreation aus Schnickschnack und Gedöns. In diesen Stöberläden dominieren die Fehmarn-Farben Ostseeblau, Möwenweiß, Sandbeige und Getreidegolden. Die Auslagen sind vollgestopft mit meerbezogenen Mitbringseln wie Ministrandkörben, Matrosenfigürchen, Möwenkissen und Muschelketten.
Nach dem Bummel durch Burg bietet es sich an, den Tag mit Planschen am nahegelegenen Südstrand ausklingen zu lassen – vorausgesetzt, man findet noch einen unbelegten Strandkorb oder wenigsten irgendwo dazwischen ein freies Fleckchen für sein Badelaken. Denn wegen seines kieselsteinfreien Sandes ist dieser 2,5 Kilometer lange und bis zu 60 Meter breite Küstenabschnitt inselweit mit Abstand der begehrteste. Während man andernorts an den fehmarnschen Stränden entweder Badeschuhe oder ausgereifte Fakirleidensfähigkeiten mtibringen muss, um über die spitzen Steine ins Wasser zu gelangen, kann man am Südstrand durch weichen Sand in die Wellen waten. Entlang der Promenade locken Fast-Food-Stationen mit Fettigem und Zuckrigem, obwohl sich die zeitlichen Rahmenbedingungen im Urlaub eigentlich bestens für eine entschleunigte Ernährung eignen. Wie überall auf Fehmarn ist es auch am Südstrand pieksauber. Nirgends verschandeln Burgerschachteln oder Chipstüten den Wegesrand, nirgends verschmutzen Kronkorken oder Zigarettenstummel den Strand. Als Gegenleistung für die zwei Euro Eintritt, die der Aufenthalt am Badestrand von Burgtiefe pro Tag kostet, gibt es frisch gerechte Sandflächen, Überwachung durch Rettungsschwimmer, blinkende sanitäre Anlagen, gepflegte Spiel-, Grill- und Minigolfplätze und viele Abfalleimer mit Mülltrennung, damit alle zum Erhalt der Makellosigkeit beitragen können. Fehmarns Reinheitspolitik beschränkt sich indessen nicht nur auf oberflächliche Maßnahmen für ein strahlendes Aussehen. Mit rund 75 Hochleistungswindrädern, mehreren Biomassekraftwerken und überdurchschnittlich vielen Solaranlagen, die ein Vielfaches mehr an Strom produzieren als die fehmarnschen Haushalte verbrauchen, präsentiert sich die Insel auch energetisch vorbildlich.







Aus dem touristischen Ballungszentrum zurück im Hinterland, dessen herzige Heile-Welt-Aura wie dafür geschaffen ist, Kriege und Krisen mal kurz zu verdrängen, kann man sich wieder vollkommen von der dörflichen Ruhe einlullen lassen, die höchstens vom Brummen und Rumpeln eggender oder erntender Landwirtschaftsfahrzeuge unterbrochen wird. Deutet man die vielen gediegenen Gehöfte und von schmucken Gärten umrahmten Wohnhäuser richtig, dann plagen die Fehmaraner keine finanziellen Nöte. Die zwei Standbeine Tourismus und Landwirtschaft scheinen für stabile wirtschaftliche Verhältnisse zu sorgen. Schon in früheren Jahrhunderten, als der Fremdenverkehr noch nicht so florierte wie heute, gab es mit dem Getreideanbau eine zuverlässige Einnahmequelle. Bis auf die mit Plünderungen und Pfändungen einhergehenden Kriegszeiten im 15., 16. und 19. Jahrhundert war die „Kornkammer Schleswig-Holsteins“ dank der fruchtbaren Äcker und des milden Klimas stets prall gefüllt – und ist es immer noch. Rund 60.000 Tonnen Getreide werden jährlich exportiert. Da ist es schlüssig, dass die Insel wegen ihrer dem Randstück eines Brotlaibs ähnelnden Form den Beinamen „Knust“ trägt und die lokale Backspezialität namens „Kröpel“ größtenteils aus Cerealien besteht. Mit Sahne und Butter angereichert, in Fett ausgebacken und in Zucker gewälzt, besitzen die Hefebällchen, die traditionell als Zwischenmahlzeit bei der Ernte dienten, einen exzellenten Sättigungswert.
Längst haben die fehmarnschen Landwirte und Touristiker erkannt, dass sich gerade auch mit dem Schnittpunkt der zwei Wirtschaftszweige Geld verdienen lässt. In diesem Kontext wären solche Beherbergungs-, Amüsier- und Verköstigungsangebote zu nennen wie Urlaub auf dem Bauernhof, die Farmworld, das Mühlenmuseum, Siloklettern und die von gigantischen Getreidespeichern in Indoorspielplätze, Yachtgaragen und Hofcafés umfunktionierten rostroten Klinkerscheunen. Mit ihren im lauschigsten Ambiente servierten Leckereien möchte man die Hofcafés einfach sofort zu seinen Lieblingsplätzen küren. Im Sommer kann man die hausgemachten Kaffee- und Kuchenkreationen in mit Strandkörben und Pavillons bestückten Innenhöfen und Gärten verzehren, zur Winterzeit drinnen am bullernden Kaminofen. Die Köstlichkeiten reichen von Tortenkunstwerken bis zu Blechkuchen mit Fruchtigem aus der Region – Erdbeeren, Brombeeren, Quitten, Sanddorn, Schlehen. Allesesser werden bei den Schlemmersortimenten ebenso bedacht wie Allergiker, hemmungslose Genießer ebenso wie eiserne Veganer. Ein bisschen Konkurrenz gibt es für die Hofcafés allerdings schon. Das Potenzial zur Lieblingslocation haben nämlich auch die Fischrestaurants in den urigen Bauernkaten, die Beachlounges mit Cocktailbar und mit Blick auf Sonnenuntergangsspektakel – und natürlich die Strände selbst mit ihrer abwechslungsreichen Schönheit.









SONNIGE AUSZEITEN VOM ALLTAG
Der Tourismus-Service Fehmarn bietet auf seiner Website umfassende Informationen zu Aktiv-, Familien-, Genuss- und Erholungsangeboten, Sehenswürdigkeiten, Unterkünften und Veranstaltungen. Weitere Inspiration für einen Aufenthalt auf der Sonneninsel liefert das Fehmarn-Magazin.