Lieblingsunterkünfte, Spanien

Vincci Bit Hotel, psychedelische Graffitis und windschiefe Mülleimer


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Blutrote Riesenschlangen, muskulöse Torsos, wabernde Gehirne und am Ende des Flures ein glotzendes Auge: Wer in der dritten Etage des Vincci Bit Hotels aus dem Aufzug tritt, wähnt sich auf dem Weg in einen Underground-Club. Denn das Viersternehaus bei Barcelona ist ein Gegenentwurf zu Nullachtfünfzehn-Bettenburgen. Vom Pooldeck bis zur Tiefgarage steckt es voller Graffitis, Collagen und Retrodesign.

Ein gemütliches Bett, eine vernünftige Dusche und ein wenig Ruhe – mehr muss ein Hotel in Barcelona seinen Gästen im Grunde nicht bieten. Denn die katalonische Mittelmeermetropole hat einfach alles, was das Touristenherz begehrt: Lebenslust und Offenheit, Sehenswürdigkeiten aus einer zweitausendjährigen Geschichte, Themenrouten zum Beispiel auf den Spuren des unvergleichlichen Modernisme-Architekten Antoni Gaudi, Prospektfeine Strände und Parks, Shopping-Straßen, Tapas-Bars und Nachtleben bis zum Abwinken. Jede Minute im Hotel ist deshalb eigentlich eine zu viel.

Eigentlich. Doch wehe dem, der im Vincci Bit einbucht. Denn das Design-Hotel, das zur erst 13 Jahre alten, spanischen Kette Vincci Hoteles gehört, provoziert seine Gäste zum Verweilen. Auf den ersten Blick sieht der mausgraue 177-Zimmer-Kasten im gesichtslosen Kongress-Viertel Sant Martí zwar noch harmlos aus. Aber schon die Lounge gibt eine Idee davon, dass hier vieles anders ist als in urbanen Standard-Herbergen. Laubfroschgrüne Sitzgruppen stehen unter Blechschildern und Bücherschränken mit Kunstbänden und Globen zusammen, an den Decken und Wänden hängen discokugelartige Silberlampen und vielarmige, sternförmige Goldlampen. Irgendetwas zwischen 70er- und 80er-Jahre Retro-Look, durch die Zutat von moderner Technik erhoben in den Status der Zeitlosigkeit. Allein die Internet-Ecke: Hier könnte man auf roten Plastikschalensitzen an weißen Apple-Computern surfen – was aber nicht notwendig ist, denn auf den Zimmern ist W-Lan inklusive.

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Die Lounge mit Bücherschränken und laubfroschgrünen Sitzgruppen
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W-Lan ist in den Zimmern inklusive, trotzdem gibt es auch eine Internet-Ecke.

Und dann fährt man in sein Zimmer hinauf und ganz gleich, auf welchem Stockwerk sich die Aufzugtüren öffnen, überall geht ein kleines Universum aus Farben, Formen und Zeichen auf, gemalt, gesprüht, gezeichnet und geklebt von elf nationalen und internationalen Künstlern – Fotografen, Illustratoren, Malern und Designern. Da sind zum Beispiel die Graffitis auf der dritten Etage – eine Fantasterei in allen Farben des Regenbogens, ein psychedelisches Traumreich aus bunten Schweifen, Sprechblasen, griechischen Charakterköpfen, kreuchenden, fliegenden und tigernden Katzen, Pferden und Nattern.

Dass sich in dem phantasmagorischen Chaos auch Türen befinden, nimmt man erst beim genauen Hinschauen wahr. Auch im siebten Stock, auf dem sich die in Schwarzweiß gekritzelten Zimmernummern harmonisch in ein schwarzweißes Gekritzel an den Wänden einfügen, muss man aufpassen, die Schlüsselkarte nicht in den falschen Schlitz zu schieben. Ebenso auf der vierten Etage, auf der sich das Auge an kunterbunten, kaleidoskopischen Malereien verfängt.

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Etage 1
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Etage 2
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Kein Underground-Tanzschuppen, sondern …
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… die dritte Etage des Vincci Bit Hotels.
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Vom Flurende glotzt ein lidloses Auge.

Obschon man den Vergleich mit dem großartigen Gaudi, dessen Konstruktionen sowohl schöpferisch als auch baustatisch als geniale Würfe gelten, natürlich nicht bemühen darf: Auch im Vincci Bit Hotel gehen Form und Funktion meist Hand in Hand. Sei es im Frühstücksraum, in dem sich ein willkürlich zusammengewürfelt wirkendes Ensemble von Tischen und Stühlen auf den zweiten Blick als ein durchdachtes Arrangement entpuppt – mit Zweiertischen für Paare und größeren Tafeln, an denen sich Alleinreisende oder Gruppen zusammenfinden können. Seien es in den Zimmern die windschiefen Mülleimer, in die sich der Abfall tatsächlich besser treffen lässt als in herkömmliche Behältnisse.

Oder sei es das Pool-Deck, das nicht nur die Coolness einer Rooftop-Bar bietet, sondern auch das perfekte Verhältnis von Sonne, Schatten und Brise. Die Aussicht ist allerdings nicht gerade das, was den Atem vor Verzückung zum Stillstand bringt: Hochhäuser älteren und jüngeren Datums, Kinderspielplätze, in der Ferne der phallisch geformte Torre Agbar, der mit seiner schuppigen Außenhaut wie das Glied eines Riesenreptils aussieht, und noch weiter dahinter die Parks auf den Hügeln.

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Der Pool auf der Dachterrasse
Foto: Vincci Hoteles/Adolfo Gosálvez
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Etage 4
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Etage 5

Obwohl das Vincci Bit Hotel etwa fünf Kilometer vom Herzen Barcelonas entfernt liegt, ist man schnell zu Fuß an vielen Orten: in fünf Minuten im Einkaufszentrum Diagonal Mar, in neun Minuten am internationalen Kongresszentrum und in 15 Minuten am feinsandigen, sauberen Strand Mar Bella. Die Fahrt mit der Metro in die Altstadt dauert ebenfalls eine Viertelstunde.

Alternativ kann man sich direkt ans Hotel ein Fahrrad bestellen und wahlweise an der Promenade oder auf der Avinguda Diagonal komfortabel in die Innenstadt radeln. Die elf Kilometer lange Straße hat in der Mitte einen zweispurigen Radweg mit Baumschatten und flache Bordsteine an den Kreuzungen. Eine ideale Route, wenn man zur Sagrada Familia, den Gaudi-Häusern am Passeig de Gràcia oder in die Parks auf den Hügeln im Nordwesten gelangen will.

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Viel zu gucken gibt’s auch auf der …
Vincci_Bit_Etage_6_2
… sechsten Etage.
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Etage 7

Barcelona ist in den vergangenen Jahren zu einem ganz großen Star unter den Städtezielen avanciert. Mit 5,8 Millionen ausländischen Besuchern 2013 liegt die zweitgrößte Metropole Spaniens nun auf Platz fünf der City-Destinationen in Europa. Das Übernachtungsangebot ist auf 69.000 Betten angewachsen, darunter die Vincci Hoteles mit drei Häusern. Die Kette ist im Vier- und Fünf-Sterne-Segment angesiedelt und außerhalb von Spanien auch in Portugal und Tunesien vertreten.

Das Vincci Bit Hotel zieht mit seiner stylishen Aufmachung, die zugleich abstrakt und konkret ist, global und regional, puristisch und poppig, zeitlos und vintage, ein internationales Publikum an. Die Gäste sprechen Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch und Norwegisch. Dass das Haus erst vor zwei Jahren seinen Betrieb aufgenommen hat, merkt man auch auf den Zimmern. Von der dellenlosen Matratze und den frischen Kissen über den Flatscreen und das Lichtsystem bis zum schwarzweiß gehaltenen Bad mit Power-Brausen in den Walk-in-Duschen ist alles auf dem neuesten Stand von Technik und Komfort.

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Die Badezimmer sind mit Walk-in-Duschen ausgestattet.
Foto: Vincci Hoteles/Adolfo Gosálvez

An den Wänden prangen Collagen, Flamenco-Haarkämme und gerahmte Sprichwörter. Eines davon lautet: „WHEN LIFE HANDS YOU LEMONS CRACK OPEN THE GIN“ – für Barcelona-Besucher eine überflüssige Anweisung, denn die Stadt ist eher wie ein lieblicher Cocktail, von dem man gar nicht genug bekommen kann.

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Hell und ruhig: Doppelzimmer im Vincci Bit Hotel
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Die Wände sind mit klugen Sprüchen dekoriert.
Fotos: pa

Die einzig wichtige Empfehlung ist deshalb eine andere: Wer nach Barcelona reist, sollte viel Zeit im Gepäck haben. Am besten macht man sich gleich am Anfang frei von allen Must-see-Pflichtprogrammen und beginnt mit den Entdeckungen zunächst vor der Zimmertür, denn schließlich ist schon das Vincci Bit Hotel ein kleines Kunstwerk. Und danach lässt man einfach seine Lüste und Launen die Führung übernehmen und sich vom Strom der Neigungen widerstandslos an die angenehmsten Orte der Stadt treiben. Alles würde man sowieso nicht schaffen, da braucht man sich gar keine Illusionen zu machen.

Vincci Hoteles: www.vinccihoteles.com/ger

2 Comments

    • Hm, schwer zu sagen. Ich war Anfang Juni dort und fand es perfekt. Die Stadt war noch nicht ganz so voll, und die Temperaturen waren sehr angenehm – schon strandtauglich, aber noch nicht so heiß, dass sie einen lethargisch machen würden. Und das wäre doof, weil es ja unglaublich viel zu erleben gibt. Schön ist bestimmt auch der September.

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